Donnerstag, 8. Mai 2014

...vorwärts in die Vergangenheit Tour 2

Auch wenn ich es gar nicht so geplant hatte und es mir erst recht spät während des Fahrens  bewusst werden sollte, startete ich auf dieser Route zu einer Reise in die Vergangenheit und damit zu einer mächtigen Konfrontation mit dem Gewesenen.
 
Doch bis es dazu kam sollte es noch etwas mehr als einen halben Tag dauern.
 
Gut ausgeruht, unterstützt von der herrlichen Stille auf der Höhe, hieß es erst einmal kräftig frühstücken, für mich mit die wichtigste Zeit der Nahrungsaufnahme. Ohne geht es nicht, oder zumindest fällt es mir schwer darauf zu verzichten.
 
Meine Beobachtung in Hotels ist, dass viele Gäste, und so auch ich, doch einiges mehr auf den Teller laden als sie es zu Hause tun würden. Da gibt es zu dem Müsli noch ein Ei, Lachs, allerlei Käse, noch ne‘ Wurst, Croissants, Marmelade und jede Menge Kaffee und Säfte, nicht zu vergessen die kleinen Küchlein.
Bezahlt ist bezahlt, und wenn es nachher Magensausen gibt, na wenn schon. So lässt es sich leben!
 
Marathon-Mann und Party-Fee kamen etwas später dazu, sodass wir uns noch ausgiebig unterhalten konnten, bevor sie zu einer Besichtigung aufbrachen. Wir verabredeten uns nochmals für später zum Mittagsbrunch  bevor meine Tour weitergehen sollte.
 
Gebrandmarkt durch die „Extra-Schleifen“ der Tour 1 - der aufmerksame Leser wird sich, erinnern - wollte ich die heutige Tour besser vorbereitet wissen, also ran an die Planung, Zeit hatte ich genug.
Ausgestattet mit WLAN, Google Maps, Navi und Landkarte ging es dann an die Arbeit.
Die Strecke konnte ich so recht komfortabel festlegen und mittels Navi dann in einen ordentlichen Gebrauchszustand versetzen, natürlich mit der Option „Kurvenreiche Strecke“.
 
Nun, da dies ein Wellness Hotel war in dem ich nächtigte, und es dort auch einen Sportbereich sowie eine Schwimm- und Sauna Anlage hatte, wollte ich diese natürlich auch noch gerne in Anspruch nehmen. Bezahlt ist bezahlt, das kennen wir ja schon.
 
Da ich auf die Sportklamotten zwecks Stauraum bewusst verzichtet hatte, konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen der heißen Luft widmen.
 
Meine Entscheidung sich dem Wellnessbereich zuzuwenden erwies sich als richtig. Zwischen Saunengang und Frischluftaufnahme rissen dann die Wolken auf, leider regnet es durch den Riss. Grund genug noch einen Gang einzulegen, den S-Gang.
Aber auch dieser Luxus musste einmal enden, wollte ich doch heute noch ein paar Kilometer weiterkommen.
 
Gut versorgt von der Brunch Theke und optimistisch in Bezug auf das Wetter, schnürte ich - wieder ohne Regenkleidung - meine gelbe Rolle auf die BMW.
 
„Schau mal, so eine würde mir auch gefallen; das ist die ohne Boxer Motor“, hörte ich einen Mittfünfziger zu seiner Frau sagen; sie stand wohlwollend lächelnd danebenstand und nickte.
Die beiden hatte ich schon im Hotel als etwas zurückhaltend wahrgenommen, aber nun schien Er so begeistert, dass Sie mit zum Moped kommen und staunen musste.
Er hatte früher eine XT500 sagte er, ich erinnerte mich, es ist schon etwas her – er schien aber noch immer den Traum des Fahrens im Blut zu haben.
 
Es hatte etwas von dem; wenn ein Kind seiner Mutter ein Spielzeug im Schaufenster zeigt.
Ich denke da sind wir Männer nicht so erwachsen wie wir tun.
Wir tauschten noch ein paar Worte, dann war es Zeit zu fahren.
 
Nach ein paar hundert Metern auf der Schwarzwald Hochstraße ging es dann wieder los. Nebel, Sprühregen, Nebel, Sprühregen, und LKWs können ganz schon groß sein, wenn man sie im Nebel erst spät sieht.
 
 
Die nächste Abfahrt ins Tal war nicht weit, am Kniebis ging es rechts ab in Richtung Wolfach. Regen und Nebel hatte ich glücklicherweise überholt, sodass die Fahrt nun mehr Spaß machen sollte, gäbe es da nicht das „Rechts“ und das „Links“.
 
Irgendwie war ich abgelenkt und habe, bedingt durch eine Umleitung in Bad Peterstal die Richtung nach rechts eingeschlagen, links war aber die Aufforderung im Navi.
Ich habe es dann bald gemerkt und korrigiert.
 
Die Zeit im Auge machte ich ab Wolfach dann auf der B33 ordentlich Kilometer gut, bis zur Abfahrt Triberg, wo sich die B500 wieder anschließt, die einige Kilometer weiter oben am Kniebis endete. Gut, hier ging sie halt weiter, mitten durch den Ort Triberg der im Vorbeifahren doch recht hübsch, wenn auch sehr touristisch erschien.
 
Der Nebel ließ nicht lange auf sich warten, zusätzlich bereichert durch den auch hier üblichen Sprühregen. Es musste mit der B500 zusammenhängen, bzw. mit der Höhenlage der Straße. Etliche Autos und ein einsamer Motorradfahrer quälten sich durch das Weiß, immer die Frage im Kopf, weiß ich was hinter dem Weiß ist, nee weiß ich nicht, so’n …eiß.
 
Die Abzweigung zur Jostalstraße machte dem Spuk ein Ende, denn nun ging es wieder den Berg hinab in Richtung Neustadt am See, dessen Namen gerade bei der männlichen Gattung für ein Schmunzeln sorgt.
 
Mein Schmunzeln verging mir jedoch schnell, denn nun holten mich die Erinnerungen der Vergangenheit ein, und es waren keine Schönen. Meine Gedanken möchte ich hier nicht alle ausbreiten, jedoch durchfuhr ich ein besonderes Kapitel meines Lebens, eines ohne Zeit und Raum aber mit Grenzen so hoch wie der Himmel.
Grenzen die ich nicht mehr öffnen konnte und die mich durch ihren Verlauf nach langer Reise wieder hierhin gebracht hatten, diesmal allein.
 
Am Südufer umfuhr ich den See, vorbei an meinen eigenen Spuren, vorbei an Wegen die eine Bedeutung haben und die sich doch im Kreis drehten. Meine Gedanken wurden laut und blieben hinter dem Visier nicht stehen. Die Stimme durchbrach den Schall des Motors und breitete sich über die einsame Straße und den See aus.
 
Die Emotionen sehe ich während ich schreibe, doch liegen nun so viele Himmel hinter mir, dass auch diese im Nebel verblassen werden.
 
Ich fuhr davon, weiter in Richtung Feldberg, einer weiteren Marke auf meiner Karte, der Karte des Navis und der meiner Erinnerung. Der wiedereinsetzende Nebel half mir mich zu konzentrieren. Links und rechts kaum was zu sehen, nur ab und an die recht verlassen wirkenden Ski- und Ausflugslokale.
 


Die leeren Parkplätze luden nicht zum Anhalten ein, so hieß, weiter einhalten und warten bis sich der Feldberg auf der Westseite der Passhöhe ins Tal erstreckt.
Nach kurzer Rast auf dem ebenfalls leeren Parkplatz des Todtnau Alpin Centers stand mir nach ca. 400km ohne Tank Stopp der Sinn nach einer Zapfsäule.
 
Die noch verbleibenden Kilometer hätte ich sicher mit dem restlichen Tankinhalt geschafft, doch muss man es ja nicht draufankommen lassen und so nutzte ich die Gelegenheit am Ortsausgang von Todtnau der BMW F800 Adventure knappe 19 Kg an zusätzlichem Gewicht aufzutun. Ihr schien der Ballast nichts auszumachen, bei mir hätte es den Reißverschluss der Jacke gesprengt, also war alles gerecht verteilt.
 
 
Hinter Todtnau führt die L142 in den Ort Aitern, doch der hatte für mich irgendetwas Verwundbares im Namen, also nichts wie durch und nicht umgedreht, denn die nächsten Serpentinen warteten schon.
Nach unzähligen Kurven und über kleine Orte hinweg wie Wieden, Stampf und Krumlinden kam ich dann über Staufen im Breisgau aus dem Schwarzwald heraus.
 
Da es schon langsam dämmerte, fühlte es sich wie an wie ein „ausgespuckt“ werden aus dem nun bald dunklen Wald, so wie Jona aus dem Bauch des Wals, gut behütet und ohne Blessuren, trotz der teils widrigen Umstände.
Vor mir tat sich die weite Ebene des Rheintals auf, keine Kurven, ganz ungewohnt, dann unter der A5 durch auf eine lange Gerade, Vollgas!
 
Auf der rechten Seite trat ein Höhenzug in mein Blickfeld, dann dämmerte es mir.
Ich hatte es bei meiner Routenplanung gar nicht gesehen, oder vielleicht auch übersehen wollen. Rechts von mir zog sich der Kaiserstuhl dahin, zumindest dessen Ausläufer.
Geradeaus die Stadt Breisach mit dem hoch erhabenen Münster, und davor im Kreisel da geht es rechts ab nach Ihringen, und mit der Straße auch meine Erinnerung!
 
Ein Zeitsprung ins letzte Jahr, schon wieder zurück in diesen so besonderen Sommer, der irgendwie stillstand, fast wie tot, wie eine Windstille auf dem Meer des Lebens, keine Regung, kein Vor und kein Zurück, wie eine Tür die leise zufällt und nicht mehr zu öffnen ist.
 
„Breisach!“ dröhnte es unter dem Helm und in meinem Kopf, ich erkenne die Stadt, den Anleger für Ausflugsboote, die Brücke auf die andere Rheinseite und auch diese Straße in der ich schon einmal war. Die Bilder bleiben im Kopf und mit ihnen auch die Unveränderlichkeit der Entwicklung.
 
Wie auf der Flucht vor der Vergangenheit fuhr ich auf die Französische Seite in Richtung Colmar, nur weiter, nur weg.
Erst weit entfernt, dann immer näher taten sich die Vogesen vor mir auf, fast wie ein Willkommensruf, denn hier wollte ich die nächsten 2 Tage meine Runden drehen.
 
Colmar ist gar nicht weit von der Grenze entfernt, aber die Fahrt zog sich, vielleicht lag es auch an dem wenigen Verkehr der mir entgegenkam.
Auch die Straßen waren irgendwie anders, ich hatte das Gefühl dass mein Hinterrad schlingerte, oder einen Platten hätte, doch lag es am Asphalt der durch seine Längsrillen diesen Effekt hervorrief.
 
Mein Ziel war Eguisheim, ein kleines Städtchen südlich von Colmar am Füße der Vogesen gelegen und idealer Ausgangspunkt um am nächsten Morgen den Elsas zu erkunden.
Das Hotel hatte ich über HRS gefunden und am Morgen per Telefonanruf gebucht.
Um 20:30 erreichte ich mein Ziel.
 
Nachdem ich eingecheckt hatte wollte ich noch mein Motorrad auf dem hauseigenen Parkplatz, der laut Rezeption sich hinter dem Häuserkomplex befinden sollte abstellen, fand diesen aber zunächst nicht. Nach 3 maligem Auf- und Abfahrens sah ich ein grünes Tor.
Damit hatte ich nicht gerechnet und es deshalb übersehen.
 
Nachdem ich dann auch die Säule für die Eingabe des PIN Codes fand und den richtigen Code eingegeben hatte stand der Einfahrt nichts mehr im Wege und ich war froh einen sicheren Platz für meine BMW gefunden zu haben.
 
Die Küche wollte um 21:30 schließen, somit war Eile geboten, schnell frisch gemacht und umgezogen und schon saß ich am Tisch. Das berühmte „Essen wie Gott in Frankreich“ trifft auch für den Elsas zu, das durfte ich gleich erleben.
 
Zum Essen hatte das Haus einen sehr leckeren Muskatwein zu bieten. Leider würde ich bedingt durch den limitierten sicheren Stauraum keine Probe davon in die Heimat schmuggeln können.
 
"Ob denn mittlerweile der brasilianische Regenwald für die Aluminiumgewinnung zur weiteren Herstellung meiner Alu-Koffer gerodet war?"
Ich verwarf den Gedanken und bestellte noch einen Muskat.
Am Nachbartisch tranken sich zwei ältere Pärchen, irgendwo aus der näheren Umgebung Deutschlands in beste Laune, und mir ging es auch gut.
 
Gespannt erwartete ich was der nächste Tag bringen mochte.
 
Tour 2

2 Kommentare:

  1. Und da fährt er meine Hausstrecke... Ist doch schön oder?

    Obwohl, von Erinnerungen gejagt zu werden ist wohl etwas anderes...

    Na, die Vogesen werden Dich schon wieder auf andere Gedanken bringen!

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  2. Mein lieber Bruder, da hast du ja eine ganz schöne (Tor-) T(o)ur durchgemacht.
    Mir gefällt dein Schreibstil!
    Bin gespannt auf mehr.

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