Freitag, 30. Mai 2014

...der Kreis schließt sich! Tour 5

Im Zimmer ist es kalt. Ich habe gestern Abend die Fenster offen gelassen, die Rollläden habe ich auch nicht richtig geschlossen und so dringt die frische Eifelluft in den Raum.
Zum Schutz ziehe ich mir die Decke noch weiter ins Gesicht und schlage die Bettdecke an den Füßen so um, dass diese wie in einem Schlafsack eingehüllt sich vor der Kälte verstecken können.

Es ist fast acht Uhr und draußen ist es noch sehr still, eine Stille die schon fast wieder laut in den Ohren dröhnt, so ungewohnt aber doch vertraut. Ich erinnere mich als ich vor 24 Jahren in Ostwestfalen-Lippe, im Luftkurort Holzhausen-Externsteine wohnte, dort war es nachts auch totenstill, fast unheimlich.
Hätte es dort Bürgersteige gegeben, wären die nachts hochgeklappt worden. Da die Lipper aber gewisse Ähnlichkeiten mit den Schotten haben, hat man lieber gleich gar keine Bürgersteige gebaut.

Meine Gedanken sind wieder in der Eifel, ich bin nochmals eingenickt und werde von einem Rumpeln wach. Die Müllabfuhr ist gekommen. „Am Samstag? – ach ja, Donnerstag war ja Feiertag, da holen die den verlorenen Tag immer samstags nach.“
Jetzt bin ich aber doch froh, dass ich mein Moped gestern Abend in den Carport gewuchtet habe. Die Straße vor der Tür ist eng und so ein Mülllaster ist breit.
Das Rumpeln wird leiser, die Männer mit den orangefarbenen Hosen sind weitergefahren, die Ruhe kehrt wieder ein, aber nicht für lange.

Im Hintergrund höre ich ein Brummen und jaulen, erst leise dann lauter, dann wieder weg. „Auf dem Ring fahren sie schon“ – geht es mir durch den Kopf. Heute ist kein offizielles Rennen, das werden private Rennfahrer sein, so wie die 4 Typen aus Schweden die wir beim Eifel-Italiener getroffen haben. Die sitzen jetzt sicher in ihren heißen Kisten, sofern sie sich nicht gestern die Finger an den heißen Steinen verbrannt haben.
Der Dorfälteste meinte gestern, dass eine Runde auf der knapp 21 Km langen Strecke durch die grüne Hölle ab dieser Saison 27 Euro kostet. Ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, dass die Runde in ca. 20 Minuten abgefahren ist.

Das ist schon irre, da kommen Menschen von so weit her, investieren enorme Mengen an Zeit, Geld und Material um hier für ein paar Stunden ihre Schleifen zu drehen.
Es fährt ja auch immer das Risiko eines Schadens mit, auch wenn es nur Blech zu beklagen gibt. Aber das nehmen sie alle gerne für die Freude und den Spaß ihres Hobbies in Kauf.
So wie mir auch das Motorradfahren Spaß macht, sonst gäbe es diese Zeilen hier nicht.

Mein Ältester arbeitete eine Zeit lang bei einem Rennstall hier am Ring und es war jedes Mal eine andere Welt die sich mir hier zeigte. Eine Welt, sehr vom sogenannten starken Geschlecht geprägt, in der es um Leistung und Erfolg der Teams geht. Nur wer schneller ist kommt weiter. Leider lassen sich zu viele Zuschauer von diesem Hype anstecken um sich dann, außerhalb der Rennstrecke vom Adrenalin beflügelt, auch gerne selbst zu überschätzen.

Überschätzt haben einige Landesvertreter auch den Gewinn, den das Eifeldorf und die Attraktionen am Nürburgring abwerfen würden. Tun sie aber nicht und so soll nun einiges verändert werden sagte der Dorfälteste. Ich erinnere mich noch an die Bilder im Fernsehen, als ein nicht ganz unbekannter Tennisspieler als Werbeträger in der Ring-Racer Achterbahn saß, diese dann aber aus Sicherheitsgründen nur geschoben werden durfte, kein Witz!

Es wird Zeit, ich schiebe auch, und zwar mich aus dem Bett.
Kurz darauf sitze ich frischgemacht und aufgehübscht mit meinen Gastgebern am Frühstückstisch. Das Angebot ist sehr reichhaltig und ich überlege ob ich nicht hier einziehen soll. Man nimmt mir aber die Illusion dass dies jeden Tag so sein wird also verwerfe ich den Gedanken schnell.
Wir unterhalten uns als das Telefon klingelt. Es ist der jüngere Bruder des Dorfältesten, der, wahrscheinlich weil er noch jünger ist nur „Fast-Dorfältester“ geworden ist.
Der Ältere und ich wechseln den Hörer und ich dann ein paar Worte mit dem Jüngeren.

Meine Handy Digitalzeitanzeige rät mir zum Aufbruch denn ich habe heute noch ein paar Kilometer zu fahren und auch noch einen weiteren Besuch auf dem Programm.
Kurz darauf stehe ich wieder in Motorradkluft und sämtlichem Gepäck vor der Tür.
Die Zufahrt zum Carport ist frei, das Auto des Nachbarn, das mir gestern kurzfristig als Sitzplatz diente ist weg. Das ist gut, denn voll bepackt mochte ich mich nicht an dem Auto vorbeizwängen.

Verabschiedet und auf ein neues Treffen verständigt werfe ich den Motor an, ein Druck auf den Knopf und der Auspuff blubbert mir zu, dass alles für den Abmarsch bereit ist.
Vor einigen Jahren fuhr ich eine ältere KTM LC4, die hatte keinen E-Starter und so hatte ich oft meine liebe Not das Gefährt anzuwerfen. Umso ehrfürchtiger genieße ich heute den Starter meiner BMW, es lebe die Technik!

Meine Hände umfassen den Lenker, die Linke greift und zieht den Kupplungshebel.
Der rechte Fuß steht fest auf den Boden, mit dem Linken ein leichter Druck auf den Schalthebel, der erste Gang ist drin. Das Motorrad macht einen leichten Ruck nach vorne, die Kupplungsscheiben müssen sich erst an den Schub des Getriebes gewöhnen.
Meine linke Hand entspannt sich während die Rechte den Gasgriff leicht nach unten dreht.
Die Kette spannt sich und zieht mit geballter Kraft das Rad nach vorne, jetzt geht es wirklich los.

Im Rückspiegel sehe ich meine Gastgeber immer kleiner werden, ich winke noch einmal zu, dann geht es wieder rechts ab am Wald entlang auf der K18, vorbei an dem Fischerteich.
Ich bin noch nicht ganz bei der Sache, und so passiert es mitten im Scheitelpunkt der Spitzkehre am Teich, dass plötzlich der Motor ausgeht. Die Anzeige im Cockpit zeigt mir auch warum – ich hatte den vierten Gang drin, und der ist bei dem niedrigen Tempo in der Kehre keine gute Wahl.
Etwas erschrocken und mit einem Schlenker komme ich am rechten Fahrbahnrand zum Stehen; das ist nochmals gut gegangen. Zwar hat es hier keinen Verkehr der mir hätte Sorgen machen müssen, aber das Risiko bei einem solchen Fauxpas umzukippen ist recht hoch, erst recht mit kurzen Beinen.

Nun, durch den Vorfall ganz wach erreiche und quere ich die B258, und fahre auf der gleichen Strecke zurück die ich gestern kam. Nach ein paar Minuten ignoriere ich wieder einmal die Anzeige auf dem Navi, Motorradfahrer wollen ja frei von Zwängen sein und fahre an der empfohlenen Abzweigung vorbei.
So klug ist der Freiheitsdrang nicht immer, gerade wenn man dann gezwungen wird, mehr zu tanken. Aber mit dem dicken Tank meiner F800 Adventure mache ich mir darüber keine Sorgen. Also weiter auf eigenen Pfaden durch die Eifel, eine tolle Landschaft.

Irgendwann entschließe ich mich dann die ursprünglich geplante Richtung wieder aufzunehmen und komme so über Dankerath auf die L72 nach Bodenbach und Gelenberg und auf der L70 durch das schöne Waldstück nach Kelberg.
Quer über den Kreisel geht es dann auf einen Abschnitt den ich noch nicht kenne, das ist gut, denn einen großen Teil der Strecke bin ich ja gestern schon gekommen.


Landschaftlich hat sich seit meiner Abfahrt nicht viel getan, viele weite Felder und einzelne Waldflächen wechseln sich ab. Heute scheint die Sonne und mit Ausnahme von ein paar hochhängenden Wolken habe ich freie Sicht auf den blauen Himmel.
Mein Ziel ist der Hunsrück, und um den zu erreichen muss ich erst einmal die Eifel in Richtung Mosel passieren. Doch bis dahin ist es noch ein Stück und so ziehe ich meine Kurven auf der L95, unter der Autobahn A48 durch, weiter auf die L52 nach Müllenbach und die B259 nach Büchel, die Mosel kommt näher.

Irgendwann geht es dann los, steil den Berg hinab zum besagten Fluss.
Die Straße ist zwar recht breit und glänzt mit gut fahrbaren Kurven, doch scheint es genügend Anlass gegeben zu haben, hier spezielle Warnschilder für Motorradfahrer aufzustellen. Also halte ich mich so gut es geht an die Geschwindigkeitsbegrenzung und winke dem Mopedfahrer und seinem Sozius hinterher, die mich kurz darauf überholen.

Auf dem Weg nach unten fällt mir eine Brücke auf, die trotz der Steillage über mich hinweg geht. Wohin die wohl führt frage ich mich, die Antwort sollte ich bald bekommen.
Die B259 führt direkt an die Mosel heran, dort in den Ort Sehl.
In Blickrichtung liegt Cochem, oben auf dem Berg das Wahrzeichen der Reichsburg, die aus dem 12ten Jahrhundert stammt und die früher als Zollburg diente.
Land zu besitzen und dem Durchfahrenden Zoll abzuknöpfen hat sich früher schon rentiert.
Die einträglichsten Grundstücke sind heutzutage 1m² groß, meist direkt an stark befahrenen Straßen gelegen und mit kleinen unscheinbaren Säulen und Starenkästen bebaut.


Nachdem ich meine Kamera wieder verstaut habe und mich in Richtung Cochem auf den Weg mache, weist mich mein Navi an wieder nach links abzubiegen. Ich wundere mich, lasse mich aber auf den Wunsch ein und fahre auf steilen Wegen durch den Ort Sehl den Berg wieder hinauf. Aha, das ist also die Brücke, die ich vorher von unten gesehen habe dämmert es mir auf, als ich über die B259 hinwegbrause.
Eben noch an der Mosel, jetzt wieder oben auf der Höhe? So ganz verstehe ich es nicht, denn ich hätte doch eigentlich auf die andere Seite der Mosel gemusst.
Nicht wundern und einfach mal dem Navi folgen denke ich mir, ich habe doch Zeit.

Über die Höhe geht es dann südwärts auf der K22, und dann wieder den Berg hinab, die Mosel fest im Blick und auf der B49 an selbiger entlang auf eine Brücke zu.
Die Zuversicht ist groß den Hunsrück zu erreichen als ich über die Brücke nach Senheim komme, und durch den Ort hindurch auf der L98 wieder den Berg hinauf fahre, die Richtung passt.


Bevor ich die Mosel aus den Augen verliere möchte ich noch schnell noch ein Foto machen und halte hinter einer Spitzkehre auf einer recht langen, aber steilen Geraden an. Den Weg scheinen nur einheimische zu kennen denke ich. Aber scheinbar muss es hier auch einheimische mit gelben Kennzeihen und dem Aufdruck NL geben.
So auch dieser Herr, der mit recht beachtlichem Tempo den Berg herunter brettert, dicht gefolgt von seinem Wohnanhänger und dann gerade noch rechtzeitig den Verlauf der engen Kehre erkennt. Mit heftigen Bremsmanövern und wackelndem Wohnzimmer kommt er gerade so um die Kurve, zum Glück kam ihm an der Stelle keiner entgegen, das wäre nicht gut ausgegangen.

 
Auf geht’s, auf den Sattel und los, immer weiter im Zick Zack den Berg hinauf, vorbei an Weinbergen durch Grenderich und dann wieder nach rechts auf die L199. Nach rechts? Wieso? Geht es da nicht zur Mosel? Stimmt, ich komme bergab durch ein Tal in den Ort Merl an der Mosel.
Ich glaube ich habe ein Déjà-vus.
Der Sinn ist mir nicht ganz klar, aber es muss etwas mit der Navi Einstellung „Kurvenreiche Strecke“ zu tun haben. Das Navi meint es heute besonders gut mit mir.

Vielleicht liegt es aber auch an der Erdrotation die hier am Moselgraben schneller zu sein scheint, ich mache mir so meine Gedanken.
Weiter flussaufwärts komme ich durch Zell an der Mosel, hier kenne ich mich aus, doch das Navi zeigt schon wieder eine andere Richtung an als ich sie mir vorstelle.
Nein, diesmal mache ich was ich möchte, sonst komme ich gar nicht mehr vom Fluss weg. Während der Fahrt schiele ich dann aber doch auf die Strecke die mir mein Navigator zuweisen wollte, überlege kurz ob ich drehe und mich doch darauf einlassen soll, lasse es aber dann und folge der B421 den Berg hinauf. Im Nachhinein wäre die andere Strecke doch sehr interessant gewesen, na ja, dann halt das nächste Mal.

Die B421 ist eine kleine Rennstrecke, hat kaum nennenswerte Kurven und so lässt sich mein Navi wieder einen kleinen Abstecher einfallen um etwas mehr Fahrspaß zu generieren. Von der Bundesstraße geht es ab nach Panzweiler, durch den Ort durch und danach wieder zurück auf die „B“, tolle Sache. Die Bewohner wird es freuen wenn das Mode wird.

Der B421 folge ich weiter durch Kappel, immer geradeaus, dann durch ein Waldstück und über eine Kuppe, bis ich von weitem den gelben Wasserturm meines heutigen Zwischenzieles sehe. Ich quere die B50 und halte für einen Tankstopp kurz hinter dem Ortsschild an. Da ich heute noch nach Hause kommen möchte und der Tank das letzte Mal in den Vogesen bei besagter Leclerc Station gefüllt wurde gieße ich ordentlich nach.

In den letzten Jahren hat sich hier im Ort so viel verändert. Neubaugebiete wurden erschlossen, Einkaufszentren gebaut, andere Geschäfte geschlossen, Straßen erneuert, Häuser gebaut oder abgerissen, die Fußgängerzone umgebaut und der Wasserturm von Weiß in Gelb umgestrichen. Viele Male bin ich hier schon gewesen, habe Spaziergänge gemacht und Menschen getroffen.

Wichtige Menschen traten hier in mein Leben, Menschen die mich angenommen haben ohne zu fragen, Menschen die mir viel bedeuten und von denen ich viel gelernt habe, doch leider sind nicht mehr alle auf dieser Welt, aber so ist der Lauf der Dinge.
Es verbindet mich noch viel mit dem Ort, und doch dreht sich das Lebensrad unaufhaltsam weiter.
Ein paar Minuten später erreiche ich mein Etappenziel – ich werde von einem besonders wertvollen Menschen erwartet.




Es ist Spargelzeit, und so werde ich zum Mittagessen verwöhnt. Klassisch mit Schinken, Kartoffeln und geschmolzener Butter, einfach lecker. Später dann noch ein Stück Kuchen und Kaffee um die Geister für die Weiterfahrt zu wecken. Leider vergeht bei der Unterhaltung die Zeit wie im Flug und so wird es wieder Zeit sich in Schale zu werfen.

Das Stichwort Schale ist gut, ich fühle mich durch die Protektoren an Ellenbogen, Schultern, Rücken, Hüfte und Knien manchmal wie eine Schildkröte. Aber genau darum geht es ja auch, denn sollte die Schildkröte doch mal auf den Rücken fallen, soll der Panzer entsprechenden Schutz geben, und beim Fahren und auch sonst stört es mich nicht.
Lediglich die SIDI Adventure Stiefel, die mir bis jetzt sehr treue Dienste und absolut trockene Füße beschert haben, müsste ich an den Schnallen mal mit Silikonspray einnebeln denn sie quiteschen als ob sie noch zu bezahlen wären.

Quietschenden Schrittes verlasse ich das Haus, ein Blick zurück und zum Abschied gegrüßt erklimme ich die Sitzbank der treu wartenden BMW.
Der Kaffee hat geholfen und ich mache mich nun auf den Weg, den letzten Streckenabschnitt meiner kleinen Rundreise zu befahren. Noch ist es ein paar Stunden hell, sodass ich die Sonne, die die noch voll in der Blüte stehenden Rapsfelder zum Leuchten bringt, in vollen Zügen genießen kann.

Auch wenn es nicht mittelbar mit der Jahreszeit in Verbindung steht hat dennoch die Verspargelung des Hunsrücks sichtlich zugenommen. Weite Felder und Höhenzüge wurden mit unzähligen Windrädern zur Stromgewinnung bestückt. Teilweise nehmen diese Räder enorme Maße an, die Technologie schreitet auch hier rasant vorwärts.
Auf der Fahrt über die B50 an Simmern vorbei fallen mir insbesondere die Windrad-Monstren auf, die auf den Kamm des Soonwaldes gepflanzt wurden.

Bei Argenthal biege ich auf die L242 ab die sich durch den Wald und über den Berg in Richtung Dörrebach zieht. Diese Straße ist wirklich die holprigste, ausgefranste und schlechteste, die ich bis jetzt in unserer perfekt geteerten Alt-Republik gesehen habe, aber man arbeitet dran. Rot-weiße Barken und gerodete Streifen zur Rechten verraten dass der Zustand kein Zustand bleiben kann.

Von Dörrebach geht es nach Stromberg. Hier kann ein gewisser Sternekoch, der sich nicht nur mit Gemüse auskennt, sondern dieses auch im Gesicht trägt, die schöne Stromburg als sein Eigen nennen. Im letzten Jahr war ich hier in Begleitung von Marathon Mann und Party Fee zu einem Sommer-Menü im Kräutergarten der Stromburg.
Das Weingut Dr. Gänz aus Guldental an der Nahe führte mit Lafers Speisen und eigenen hervorragenden Weinen durch den Abend. Das Ambiente der Burg und die witzige und freundliche Art des Winzerpaares machten den Abend zu einem Erlebnis.

Weiter auf der L214 an Waldalgesheim vorbei komme ich in den Ort Weiler und halte etwas weiter für ein paar Fotos an. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick über Bingen und auf die rechtsrheinische Seite mit dem Denkmal der Germania, oberhalb von Rüdesheim. Von hier führt die Straße von der Höhenlage hinunter nach einer 180 Grad Kurve hinein nach Bingerbrück.


Die eigentliche Straßenführung durch den Ort scheint meinem Navi nicht zu gefallen und so lasse ich mich kreuz und quer durch 30er Zonen führen, so lernt man auch die Städte kennen. In dem Punkt habe ich einschlägige Erfahrungen von meiner Pforzheim Sightseeing Tour, und um nicht wieder mit den Vorschlägen des Navi in Konflikt zu kommen mache ich mal was ES will. So komme ich wieder auf die Bundestraße 9 die nach Bingerbrück hineinführt. Von hier aus kenne ich die Strecke, vorne kommt eine Ampel, da muss ich links ab. Das Navi stimmt mit mir überein.

Während ich in erster Reihe stehend an der roten Ampel warte, kommen mir Autos entgegen, andere fahren von links kommend weiter, dann wieder die von vorne und wieder die von Links. Das dauert aber lange denke ich, während sich hinter mir schon eine lange Schlange gebildet hat. Unter mir ruckelt der Motor und verströmt seine angestaute Hitze, es wird mir zu dumm.
Ich suche die Teerdecke ab ob hier eine Kontaktschleife eingearbeitet ist, kann aber keine entdecken. Um eine versteckte Schleife zu treffen, oder einer Infrarotkamera ins Bild zu kommen lasse ich mich etwas nach hinten rollen um dann wieder etwas weiter nach vorne zu ziehen, vielleicht werde ich ja von der Ampel bemerkt, aber nichts passiert.

Wieder eine Ampelphase vorbei, es nervt. Vielleicht hätte ich mir doch die „große“ BMW holen sollen? Gefangen in dieser ausweglosen Lage beschließe ich eine spontane aber temporäre Farbenblindheit zu bekommen und ziehe bei der nächsten Gelegenheit über die weiße Linie davon. Ich gehe davon aus, dass die Fahrzeuge hinter mir noch ein wenig gewartet haben.

Kurz darauf überquere ich die Nahe die hier zu meiner Linken in den Rhein mündet.
Rückwärtig, mitten im Rhein auf einer kleinen Insel steht der Binger Mäuseturm.
Der Sage nach soll vor gut 1000 Jahren ein Mainzer Bischof Namens Hatto in einer Hungersnot den Armen, trotz voller Kornkammern nicht geholfen haben und sie dann auch noch in einer Scheune eingesperrt und durch Brandlegung hat abmurksen lassen. Die Hilferufe der Sterbenden hat der Herr Bischof wohl mit dem Pfeifen von Kornmäuslein verspottet. Glaubt man der Geschichte machten sich daraufhin tausende Mäuse über den Bischoff Hatto her, welcher dann flussabwärts mit dem Schiff zum besagten Turm flüchtete um hier vor den Mäusen in Sicherheit zu kommen.
Die Rechnung ging nicht auf, die Mäuse hatten bereits den Freischwimmer und ließen vom Bischof außer Knochen nicht viel übrig. Da kann man nur sagen, Hatto Pech gehabt.

Den geschichtsträchtigen Ort lasse ich hinter mir, kurve weiter durch Bingen um am Ortsausgang dann nach links zum Fähranleger abzubiegen. Bingen – Rüdesheim ist eine stark befahrene Fährstrecke und so stauen sich bei gutem Wetter die Touri-Autos gerne mal in zwei Reihen um auf die „andere „Ebsch Seit“ zu kommen. Um der Nachfrage gerecht zu werden fahren hier sogar in der Regel zwei Fähren über Kreuz.
Heute hält sich der Verkehr jedoch in Grenzen, wobei es auch daran liegen kann dass es bereits 18:30 Uhr ist.

Die Fähre kommt und ich darf ganz nach vorne fahren, direkt an die Schranke, darf aber auch wieder 2,80 Euro für den Service bezahlen. Das ist es mir Wert, denn die Fahrt ist bei dem herrlichen Wetter eine Freude. Ca. 5 Minuten dauert die Querung auf die andere Seite und belohnt mit tollem Blick in alle Richtungen. Voraus liegen die Rüdesheimer Weinlagen, oben auf dem Bergrücken das Niederwald Denkmal mit der Statue der Germania.


Zum Anlass der Deutschen Reichsgründung von 1871 gebaut, wurde die Statue im Jahr 1883 eingeweiht. Ich erspare mir die Erklärung was es sich genau mit ihr auf sich hat und auch, dass sie den Stolz und die Kampfbereitschaft der Deutschen symbolisiert, dass sie in der rechten Hand die Kaiserkrone trägt und in der Linken das Reichsschwert hält, und dass sie als Mahnwache zum Schutz der Rheingrenze bzw. vor dem damaligen Erzfeind Frankreich steht, ja das erspare ich mir.

Aus dem damaligen geschichtlichen Kontext heraus eine verständliche Bauweise, heute würde sich zum Glück niemand mehr trauen solche Bilder zu vermitteln, zumindest nicht in diesem Land. Erstaunlich ist allerdings welch eine Faszination die Statue vor allem auf die ausländischen Touristen ausübt, sie ist halt typisch Deutsch. Es fehlt nur noch ein Oktoberfestbierzelt und eine Wurstbude, dann wäre das Klischee komplett.

Als Karikatur habe ich die Germania aber auch schon mit einem Pergel Trauben und einer Flasche Wein in den Händen haltend gesehen. Diese Variante wäre heute sicher auch ein Renner, gerade zur jetzigen Zeit, denn es ist Schlemmerwoche im Rheingau.
Eine Woche lang öffnen die Winzer ihre Keller und Hofgüter zur kostenlosen Probe der neuen Weine, zum Verweilen und Schlemmen kleiner Speisen, oftmals alles in Eigenregie der Winzerfamilien. Eine schöne Tradition.

Mit einem Rumpeln und kratzen legt die Fähre in Bingen an. Der freundliche Herr mit dem trendigen Range Rover einigt sich per Fingerzeichen darauf mich vorzulassen und so geht es die Rampe hinauf auf die B42.
Hier vor Rüdesheim kreuzt die „B“ die stark befahrene Eisenbahnlinie, sodass der Autoverkehr durch die Bahnschranke des Öfteren einen unfreiwilligen Stopp einlegen muss. Für Touris egal, sie dürfen sich an der schönen Umgebung erfreuen und sind auch bald wieder weg, für die einheimischen Pendler allerdings ein Graus.

Das Glück ist mir hold, die Schranke ist offen und es geht vorwärts durch Rüdesheim, entlang der Flaniermeile mit seinen Cafés, Bars und Souvenirläden, dann weiter auf der B42 aus dem Ort hinaus, am Yachthafen vorbei und entlang des Rheins in Richtung Wiesbaden.
Obwohl Geschwindigkeitsbegrenzt auf 80- bzw. 60 km/h packt es gelegentlich den ein- oder anderen 2-Rad und auch 4-Rad Fahrer hier etwas mehr den Hahn zu öffnen, leider oft genug mit ernsten Folgen.

An neuralgischen Stellen reagieren die Behörden mit dem Aufbau von Kameras.
Die Bilder die dabei gemacht werden sind im Verhältnis zur gelieferten Bildqualität recht teuer, der Lieferservice ist aber hervorragend, die Bilder werden in der Regel ohne vorherige Nachfrage versandt.

Vor mir packt es einen, der seinem Kennzeichen nach zu urteilen, den Foto Shop in Oestrich-Winkel nicht kennen wird. Ich entschließe mich ihm hinterher zu fahren und mittels Lichtorgel auf die nahende Säule aufmerksam zu machen. Irgendwann hat er es gemerkt und geht vor besagter Kamera dann doch auf die Geschwindigkeit herunter die in dem runden Schild mit rotem Rand als mögliche Option angegeben war.
Die Brownie Points gehen an mich, auch wenn ich kein Pfadfinder bin.
Der Gewarnte scheint dann aber doch etwas verunsichert und trödelt nun sogar um einiges langsamer als erlaubt vor mir her. Das bleibt nicht lange so, dann trödelt er hinter mir her.

Ich komme meinem Ziel näher. Vorbei am Oestricher Verladekran aus dem Jahre 1744, vorbei an der European Business School, dem herrlichen Weinstand in Hattenheim und der Tanke an der ich noch ein paar Tage zuvor mir den nötigen Sprit für den Start zu meiner Reise geholt habe.

Noch ein paar Meter weiter und ich verlasse die B42 um nach rechts in meinen Heimatort abzubiegen. Ich überlege kurz, ob ich noch eine Extra-Runde drehen soll, denn bei dem Wetter macht das Fahren auch nach mehr als 1300 Kilometern und ca. 31 Stunden im Sattel richtig Spaß, doch der Blick auf die Uhr rät mir die Reise an dieser Stelle zu beenden.
Diesen Abend der Schlemmerwoche möchte ich gerne noch in netter Begleitung beenden, so ist es an der Zeit diesen Abend einzuläuten.

Es ist Samstag der 3. Mai, 18:52 Uhr als ich zufrieden und berauscht von meiner Tour zu Hause ankomme. Ich habe viel gesehen, viel an mir vorbeiziehen lassen, Menschen getroffen, geredet, mich wieder verabredet, viele neue Eindrücke gewonnen, im wahrsten Sinne des Wortes den Umgang mit meiner treuen BMW erfahren, eindrucksvolle Landschaften erkundet, länder- und menschenverbindende Straßen befahren, mich mit Gedanken konfrontiert und diese verarbeitet, meinen eigenen Dialog mit mir geführt, Regen und Kälte gespürt, aber die Sonne im Herzen behalten.

So bestätigen sich für mich die Worte von Hermann Löns (1866 - 1914)
„Das wichtigste Stück des Reisegepäcks ist und bleibt ein fröhliches Herz.“

Die nun beendete Reise stand im Fokus des Erfahrens, des Befahrens und Sammelns von Erfahrungen und es war gut und richtig diese Tour alleine zu tun.
Sollte mich mein Lieferant aber doch eines Tages anrufen und mir die frohe Botschaft der Ankunft meiner Alu-Koffer verkünden, so werde ich Stauraum für zwei fröhliche Herzen haben.

Denn, wie ein Afrikanisches Sprichwort besagt:
“If you want to go fast, go alone, if you want to go far, go together.”

In freudiger Erwartung auf das was kommen mag – ich habe die Ehre!

 
Tour 5 - der Kreis schließt sich.

Freitag, 16. Mai 2014

...auf Nordschleife zum Ring! Tour 4

Fahles Licht dringt durch die blassgelben Gardinen, die Heizung rauscht und es riecht nach feuchter Kleidung. Der Geruch zieht an mir vorbei und kommt mir bekannt vor. Mein Denkapparat beginnt gerade mit der Frühschicht und zieht vorsichtig an einem Nerv der irgendwie mit den Augen verbunden zu sein scheint; die Augen öffnen sich.

Erster! Noch vor dem Handy bin ich aufgewacht, jedoch dauert es nicht lange und ich werde eingeholt. Ich suche nach der Fläche auf dem ultraglatt polierten Display die mir das Ausschalten des Klingeltons gestattet. Früher war alles einfacher, da gab es Tasten. Sowas haben heute nur noch Außenseitergeräte sowie die EierTelefone aus dem Jobs-Center.

Die Suche ist erfolgreich, das Handy stumm nur die Heizung rauscht immer noch.
Das Fenster hatte ich nachts leider nicht öffnen können, der besagte Standard des Hauses sah damals nur Flügelfenster ohne Kippmöglichkeit vor. Die Luft war durch den Trockenprozess meiner Kleidung etwas stickig, vielleicht habe ich aber auch deshalb so gut geschlafen. Wie auch immer, es wird Zeit aufzustehen, Frischluft hereinzulassen und die Heizung herunterzudrehen.

Die Handschuhe liegen noch auf der Heizung, alles andere hätte mich auch gewundert, jedenfalls sind sie schön trocken geworden und die Anprobe zeigt mir, dass sie auch nicht hart geworden sind, der Tag fängt gut an.

Ich beginne die überall im Raum herumhängende Kleidung abzuhängen und prüfe dabei ob es noch nasse Stellen gibt. Es gibt keine wie ich erkennen kann sodass ich beginne die Membranschichten in Hose und Jacke einzufädeln. Das geht recht flott denn die Befestigungs-Reißverschlüsse sind dank der weit ausstellbaren Ärmel und Hosenbeine gut erreichbar.

Nun bin ich selbst an der Reihe, die Motorik ist soweit in Betrieb sodass die Morgenwäsche ohne Komplikationen verläuft. Jeans und Hemd liegen schon bereit es wird Zeit zur ersten Nahrungsaufnahme. Im Saal des Restaurants ist schon alles vorbereitet. Interessanterweise ist genau der Tisch mit nur einem Gedeck versehen, an dem ich gestern Abend saß.
Ich erkenne diese freundliche Weisung und nehme den Platz an.

Brötchen, Croissant, Butter und eine Auswahl an Belag liegt schon bereit, es fehlt lediglich der Kaffee. Gut, dass Frühstück in Eguisheim war reichhaltiger und Eier zum Selberkochen werden hier auch nicht geboten, das Leben wie Gott in Frankreich scheint nicht überall gleich verteilt zu sein.

Wieder auf dem Zimmer angekommen mache ich mich für die Abreise fertig, verpacke ich alles wieder einzeln in Plastiktüten und verstaue die Päckchen in die nun nicht mehr ganz so quietsche-gelbe Rolle. Diese hat durch den aufwirbelnden feinen Sand der Tour etwas Farbe abbekommen. Das stört nicht weiter, zu Hause werde ich mich darum kümmern.

Mir kommen erneut Fragen zu der Genesis meiner Alu-Koffer in den Sinn.
Bestimmt steht gerade ein einsamer Schmid in seiner Werkstadt, irgendwo in einem gut versteckten Klickerkaff dessen Namen keiner Landkarte bekannt ist, hämmert und dengelt das frisch aus China eingetroffene Alu Blech für meine Koffer in Form.
Nur mein Lieferant weiß davon sicher noch nichts und rätselt weiterhin, wann er mit dem Eintreffen der heißersehnten Lieferung rechnen kann.

Derweil rechne ich mir die Kilometer meiner heutigen Etappe zusammen und schaue auf dem Navi nach der nächsten Tankstelle. Nicht weit entfernt soll es eine geben, das passt gut. Bevor die Fahrt losgeht mache ich noch ein paar Aufnahmen des Hotels und des kleinen Kanals dessen Staustufe auf dem Flüsschen Zorn sogar die Durchfahrt von größeren Sportbooten ermöglicht.


Über dem Ort thront ein dicker Felsen, der Farbe nach scheint es Sandstein zu sein und es sieht aus als hätte dort in früheren Zeiten eine Befestigungsanlage gestanden.


Es geht los, zunächst einmal zur Tankstelle nach Phalsbourg. Die Supermarktkette der die Tankstelle angeschlossen ist nennt sich Leclerc, das erinnert mich an die hier einheimische Süßspeise Leclerc aber, wie ich später in Google nachlese gibt es auch einen französischen Kampfpanzer, der nach einem General des Zweiten Weltkriegs benannt ist.
Das Tanken sollte aber ohne größeren Kampf ablaufen.

Es hat sich eine Schlange an der Zapfstelle gebildet, zwei Säulen stehen zur Verfügung, jedoch ist reger Betrieb und ich stelle mich hinten an. Das Auto vor mir, bzw. dessen Fahrer weiß scheinbar nicht genau wohin und fährt mir im Rückwärtsgang langsam entgegen.
Ich weiche in weiser Voraussicht aus, fahre an ihm vorbei und stelle mich allerdings erst einmal an die Seite, da mir nicht ganz klar ist ob ich hier bar bezahlen kann oder einen Ausweis für den Supermarkt benötige um meinen Tank zu füllen.

Ein älterer Herr bietet sich mir als Frageopfer, doch er versteht mich nicht, ich ihn leider auch nicht. Mein Französisch hat sich über Nacht nicht verbessert. OK, das kann passieren, also versuche ich mein Glück bei der Kassiererin die in einem Glashäuschen ihr Dasein fristet. Sie versteht mich und ich bin mir nun sicher dass ich Benzin gegen Bares eintauschen kann. Ich warte bis ich an der Reihe bin, tanke, zahle und ziehe zufrieden davon.

Über die Landstraßen D104 und D178 geht es in Richtung Petit Pierre, eine herrliche Landschaft, immer wieder geprägt durch eindrucksvolle Sandsteinfelsen, ähnlich dem der mir in Lutzelbourg auffiel. Diese Felsen, deren Ausläufer teils bis an die Straße heranführen, mussten allerdings vor Urzeiten von starken Wassermassen umgeben und ausgefräst worden sein. Imposante Schleifspuren und Abtragungen der Witterung lassen sich im Vorbeifahren gut erkennen.

Ich habe es noch nicht erwähnt, heute habe ich die Regenhose an, habe aber auf die wasserdichte Jacke erst einmal verzichtet. Noch ist es trocken und es sieht beständig aus. Da ich aber noch einige Kilometer vor mir habe möchte ich die Erfahrungen der letzten Tage nicht außer Acht lassen und heute wenigstens im Untergeschoß auf Nummer Sicher gehen.

Viel Verkehr gibt es hier nicht und so fahre ich ungestört weiter durch kleine verschlafene Ortschaften in Richtung Lemberg dann weiter über Siersthal und Volmunster, nach ein paar Kilometern geht es links über einen kleinen Bach hinweg.
Mir fällt auf, dass die Straßenschilder plötzlich eine andere Farbe haben.
Ohne es zu merken überfahre ich die ehemalige Grenze und bin wieder in Deutschland, bzw. im Saarland, ein komisches Gefühl.

Wie sich die Menschen hier zur Zeit der geschlossenen Grenzen wohl gefühlt haben mögen, so dicht am Nachbarn und doch durch einen winzigen Bach getrennt.
Aber so ähnlich kennen wir das ja selbst heute noch mit der liebevoll verspotteten Trennung zwischen Wiesbaden und Mainz, als auch zwischen Köln und Düsseldorf und sicher auch anderorts, Trennung die eigentlich im Kopf entsteht.

Aber mit der Überschreitung der Landesgrenze es hat sich auch etwas verändert. Die Ortschaften sind irgendwie gleichmäßiger, die Straßen breiter und der Teer, ein Gedicht. Irgendwie gefiel mir die Ursprünglichkeit der französischen Seite aber besser.
Umkehren ist keine Option, also weiter geradeaus und die typisch deutsche Ordentlichkeit akzeptiert. Immer weiter Richtung Norden über Blieskastel, Neunkirchen geht es durch Ottweiler auf der B41 weiter, wo ich mich nun auch ob der stabilen Wetterlage nun endlich von meiner Regenhose trennen kann.


Tempobeschränkungen gab es in Frankreich kaum, die hat man scheinbar alle nach Deutschland verschenkt und hier gerne angenommen. An jeder kleinen Kurve eine Warnung und Drosselung auf 70, teilweise sogar auf 50, ein Riesenspaß, nicht nur für Motorradfahrer.
Irgendwann öffnet sich die Straße und Beschränkungen sind keine mehr zu sehen, ich drehe am Gas und lass es ordentlich brummen. Der Fahrtwind rüttelt an meinem BMW Helm, Model Crow Edge. Als ich mich für den Helm entschied war mir klar, dass dieses Model nicht zu den Leisesten zählt und auch der Enduro-Like vorstehende Schirm eine Geräuschquelle ist, aber mir gefällt diese Helm Form so gut, dass ich die Nachteile gerne in Kauf nehme. Ich gleiche das Defizit dadurch aus, indem ich Autobahnen meide und meistens nicht schneller als mit 120 Km/h unterwegs bin. Sollte ich einmal eine Tour über die  Autobahn machen wollen, und bis dahin stolzer Besitzer von Alu-Koffern, werde ich das Visier zumindest für die höheren Geschwindigkeiten abbauen und verstauen.

Die Strecke zieht sich und recht lange dahin als ich auf zwei vorausfahrende Autos aufschließe, und da mir diese auf Dauer zu langsam sind setze ich zum Überholen an.
Die Straße verläuft hier in einer langen Rechtskurve leicht bergab und ist in Bezug auf den Gegenverkehr gut einzusehen. Ein Zug am Gas und ich komme am ersten vorbei, dann der zweite. Als ich gerade einfädeln möchte sehe ich einen zerbrochenen Besenstiel auf der Straße liegen, mitten in meiner Spur. Den hatte ich vorher nicht wahrgenommen und um ausweichen bin ich zu schnell. Ich fahre mitten drüber und zu meiner Freude zieht die BMW  ohne einen Schlenker stur weiter geradeaus.

Im Rückspiegel sehe ich die Brocken auf der Straße tanzen, zum Glück hat der rückwärtige Verkehr nichts abbekommen. Ich wundere mich wo der Besenstiel hergekommen sein mag, doch ob da noch irgendwo ein Straßenkehrer im Graben liegt kann ich auf Grund der Entfernung nicht mehr ausmachen.

Bei Birkenfeld verlasse ich die B41, das Geradeausfahren wurde auch schon langsam langweilig und so komme ich wieder auf kleine kurvenreiche Straßen die mich weiter in Richtung Mosel bringen. Es geht wieder auf und ab, eine wahre Freude!

Vor Longkamp halte ich auf einer Bergkuppe auf einem Waldweg für eine kurze Rast an und vertrete mir etwas die Beine. Ich höre ein Auto die Straße heraufkommen und auf der anderen Seite der Kuppe etwas unterhalb anhalten und drehen. Mittlerweile bin ich auf dem Rückweg zum Motorrad, als der Wagen zurückkommt. Ich sehe einen alten VW Golf in dunkler Farbe mit zwei Typen besetzt. Als sie gerade Anhalten wollen sehen sie mich, biegen dann in den gegenüberliegenden Feldweg ein, drehen erneut und setzen die Fahrt in ihrer ursprünglichen Richtung fort.
Ich gehe mal davon aus, dass sie sich nur mein Moped ansehen wollten.

 
Nach längerer Talfahrt komme ich nach Traben-Trabach, einem Weinort an der schönen Mosel gelegen. Unzählige Wanderer sind unterwegs die sich in langen Schlangen durch den Ort und über jeden Zebrastreifen schieben. Reduziertes Tempo ist angesagt, so kann ich mich etwas umsehen und den Mittelalterlichen Ort bestaunen. Die Luft ist noch etwas diesig aber es ist schön trocken und warm geworden, doch das wird sich aber auf der weiteren Fahrt wieder ändern, denn es geht ja nur noch aufwärts.

Die Wanderer haben ein Einsehen und gewähren mir Durchfahrt über ihren heiligen Zebrastreifen, ich kann nun endlich über die schmale Brücke zur anderen Seite des Flusses fahren. Es geht wieder hinauf auf die Höhe und entlang der K63, bis ich die Bundesstraße 49 überquere und auf die K35 in ein Waldstück einfahre.

Ich habe es nur im Augenwinkel gesehen, habe aber keine Ambition nochmals umzudrehen. Ein Schild zeigte ein Durchfahrtsverbot für Motorräder zischen 8:00 Uhr und irgendetwas und nochmals von, keine Ahnung bis, weiß ich auch nicht. Es ging zu schnell und, was soll das Schild auf meiner Strecke? Irgendetwas von Bad Bertrich und Kurort habe ich noch erkannt, doch das Schild war schon zu weit weg. Ich mache mir Gedanken.

Bad Bertrich, da bin ich doch schon ein paarmal durchgefahren, mir ist da aber nichts Wesentliches aufgefallen. Also weiter durch den Wald, eine Traumhafte Strecke, kein Gegenverkehr, ein Fahrgefühl wie in den Vogesen auf meiner Tour 3, allerdings ohne Regen.

In Bonsbeuren zische ich an einem weiteren Schild mit gleicher Warnung vorbei. Ich habe es schon wieder zu spät gesehen und wieder fahre ich weiter, das Gewissen schläft aber nicht. Engelchen und Teufelchen führen heftige Diskussion, der Teufel gewinnt, ich höre auf ihn.

 
Etwas weiter geht es dann in recht engen Serpentinen hinab nach Bad Bertrich in den Ort hinein. So ein Käse, hier ist ja wirklich Kurgebiet, ich bekomme ein schlechtes Gewissen.
So leise wir können tuckern die BMW und ich durch den Ort, Aufsehen erregen wir dennoch keins. Da Bad Bertrich zum Glück recht klein ist muss das Gewissen nicht lange leiden.

Weiter geht es über die L104 auf die B421, eine wahre Rennstrecke, denn mittlerweile bin ich in der Eifel angekommen, die ja für schnelle Pisten bekannt ist.
Eine gute Gelegenheit den Auspuff etwas atmen zu lassen.
Auf diesem Abschnitt gibt es eigentlich keine Kurven und das macht meinem Navi, dem ich ja zuvor die Order gegeben habe kurvenreiche Strecken zu wählen scheinbar etwas Kopfzerbrechen.
So erhalte ich das Angebot, an einer Abzweigung ca. 50 Meter in eine Straße einzufahren um dann nach weiteren 50 Metern wieder in einem 90 Grad Bogen zurück auf die B421 zu fahren. Ich lehne dankend ab, halte weiter geradeaus und überlege, ob ich nicht mal bei Garmin anrufen soll.

Etwas weiter biege ich rechts ab und fahre wieder auf kleinen Landstraßen dahin. In Winkel (Eifel) ist dann die Straße gesperrt, angeblich kein Durchkommen.
Drei Typen die mich eben noch auf ihren Rennsemmeln mit gelben Kennzeichen überholt haben stehen am Ortseingang und rätseln. Ich fahre vorbei da ich mir wenigstens die Baustelle ansehen möchte.
Erfreulicherweise ist auf der anderen Seite des Ortes lediglich der Asphalt abgehobelt und die Straße uneben, für meine Maschine also kein Problem und so geht es auf diesem Wege weiter.

Kurz nach der Ortsdurchfahrt halte ich an um mein Ankommen bei meinem heutigen Ziel telefonisch anzukündigen. Die Funkverbindung ist ziemlich schlecht und bricht wieder ab. Der Empfang seit der Umstellung auf meinen neuen Anbieter lässt wirklich zu wünschen übrig – mit dem zweiten hört man schlechter fällt mir dazu nur ein.
Dann klappt es doch, laut Navi noch eine Stunde, und wie ich nachher bestätigt bekomme ist es exakt eine Stunde.

Nach einiger Zeit komme ich durch den Ort Ulmen hindurch, fahre parallel zur B257 über Seitenstraßen um dann vor Kelberg wieder auf die B aufzufahren. In Kelberg geht es im Kreisel links ab, um nach ein paar Ortsdurchfahrten dann durch ein grandioses Waldstück fahren zu dürfen.
Viele Kurven folgen auf weiten Feld-und Wiesengebieten, bis ich auf der K3 durch den Ort Pomster komme, die B258 überquere, und dann der K18 folgend den Berg hinabfahre.
Die Strecke führt in den Wald hinein, an einem malerischen Fischerteich vorbei und dann wieder hinaus über eine recht Enge Straße an grünen Wiesen vorbei.

Um 16:30 erreiche ich mein Ziel in der Nähe des Nürburgrings, auf die Minute pünktlich.
Ohne Ermüdungserscheinungen und ohne erschlaffte Gesäßmuskeln habe ich die 290 Km in 6 Stunden Fahrt mit nur kleinen Verschnaufpausen erreicht.
Ich bin sehr zufrieden mit dem Fahrkomfort meiner BMW und parke das gute Stück vor dem Haus.

Hier habe ich eine Verabredung mit dem Dorfältesten, zumindest würde man ihn in anderen Kulturkreisen so bezeichnen. Später kommt seine gute Fee dazu und wir trinken erst einmal einen leckeren Kaffee. Die Stimmung ist gut und es verspricht ein schöner Abend zu werden. Der Hunger stellt sich ein, viel habe ich heute seit dem Frühstück ja auch nicht mehr zu mir genommen und so brechen wir auf.

Wir kehren beim freundlichen Eifel-Italiener ein dessen Lokal durch die vielen Nürburgring Touristen während der Saison gut besucht zu sein scheint. Heute am Freitagabend ist allerdings nicht viel los, nur einzelne Tische sind besetzt sodass wir uns ungestört unterhalten können. Das Lokal ist funktional und ohne viel Schnickschnack eingerichtet, der Preis des schönsten Eifellokals ist allerdings auch schon seit einigen Jahren mehrfach vorbeigefahren.

Der Wirt kommt, man kennt sich, was sicher auch damit zu tun hat, dass der Herr schon einige Dekaden hier leben muss. Als er nach Deutschland kam gab es den Begriff „Migrationshintergrund“ noch nicht, damals hatte ich auch noch kein schlechtes Gewissen einen Negerkuss haben zu wollen oder beim Bäcker ein Mohrenkopfbrötchen zu kaufen.
Heute kommst du dafür in den Knast, ja die Zeiten sind härter geworden.

Block und Stift gezückt nimmt der gute Mann die Bestellung auf. Den Block dabei in der linken Hand haltend, den Hals gereckt, den Blick etwas von oben herab und leicht seitlich gedreht sieht das sehr professionell aus, das schafft Vertrauen in die Küche.
Wir ordern Bruschetta um den nötigsten Hunger zu stillen, dazu noch einen  Hauptgang. Der Bruschetta-Berg hätte uns womöglich auch gereicht wie wir noch feststellen werden.

Die Farben der Bruschetta erinnern mich an die Italienische Flagge. Das einschlägig bekannte Internet Nachschlagewerk, auch Google genannt, erklärt, Grün stehe für die Natur des Landes, Weiss für die Farbe der Alpengletscher und das Rot für das vergossene Blut für die Vereinigung Italiens. Das finde ich interessant und überlege ob die Farben in unserer Flagge dafür stehen, dass sich Schwarz und Rot eine goldene Nase in der Politik verdienen? Ich behalte den Gedanken für mich, wer weiß was ich damit anrichte.

Vier Typen am Tisch auf der gegenüberliegenden Seite kommen offensichtlich nicht von hier. Den Eifeldialekt verstehe ich zwar auch nicht immer, aber es muss sich um eine andere Sprache handeln. Eine Mischung aus Englisch, Niederländisch und Dänisch mit einem Einschlag Bayrisch, zumindest was die gurgelnden Untertöne anbelangt.
Wir rätseln, kommen aber nicht drauf.

Es wird brenzlig, die Menschen aus dem Vierländerkonglomerat haben sich je einen heißen Stein bestellt. Das ist ein Speckstein der im Ofen vorgewärmt und dann mittels einer Flamme am Tisch weiter befeuert wird. Auf diesem Stein kann der Hobbykoch sich dann ein Steak nach seinem Geschmack braten.
Der Dorfälteste ist sehr skeptisch, er hat da scheinbar schlechte Erfahrungen gemacht.
"Hoffentlich kippen die da kein Salz drauf murmelt er".

Wenn das Salz auf den heißen Stein kommt fängt das ziemlich an zu stinken, und wenn das gleich vier Mann machen wird es unangenehm. Irgendwo hängen auch Warnschilder sagt er. Das Risiko wird durch den erfahrenen Wirt erkannt, es gibt eine Einweisung und die vier sind gelehrig. Vielleicht hat er ihnen aber auch das Salz weggenommen, ich habe es nicht genau sehen können.

Zum Hauptgang hat die Fee ein Steak bestellt, der Dorfälteste einen Salat und ich eine Portion Nudeln mit Lachs. Die Fee knabbert ziemlich an dem Steak, meine Mutter hätte das Stück als Heimweh-Fleisch bezeichnet – "voller Sehnen".
Während ich mit den Nudeln kämpfe bringt die Chefin des Hauses mein 2. Radler. Ich habe Durst, die Bruschetta war recht würzig und nach der langen Fahrt brauche ich Flüssigkeit, allerdings merke ich den Alkohol schon etwas.
Da die gute Fee heute das Los des Heimfahrers gezogen hat kann ich mir das erlauben.

Viel gekaut und viel gesprochen, gezahlt und dem Wirt ein „Arrivederci“ gewünscht machen wir uns zur Heimreise bereit. Doch bevor wir fahren möchte ich noch etwas klären.
Wo sie den herkommen spreche ich vier Herren vom Tisch gegenüber an. Ich versuche es gleich auf Englisch, Deutsch schied mir als Option aus. Englisch passt und wir kommen ins Gespräch. Sie seien Schweden und wären für Trainingsrunden mit ihren Rennwagen angereist um auf dem Nürburgring ein paar Schleifen zu drehen.
Hals- und Beinbruch möchte ich Ihnen bei ihrem Vorhaben nicht wünschen, zumal ich auch nicht wüsste, wie das auf Englisch heißen könnte, also verabschieden wir uns mit einem „have a great time and enjoy your stay!“.

Zu Hause beim Dorfältesten angekommen, es hat wieder geregnet, möchte ich die BMW noch in das Carport schieben. Dummerweise parkt der Nachbar soweit vor der Einfahrt, dass gerademal ein Lenker breiter Spalt Platz ist um die Maschine da hinein zu manövrieren.
Die Wirkung der Radler macht mich etwas unbekümmert, und da wir ja zu zweit sind kriegen wir das schon hin. Es ist aber doch etwas eng und die rechte Fußraste bleibt immer wieder am Pfosten des Carports hängen. Also wieder raus und in einem anderen Winkel erneut versucht. Ich stehe zwischen BMW und dem die Einfahrt versperrenden Auto als die BMW etwas zu mir kippt. Ich kippe auch, zum Glück fängt mich die Motorhaube des PKWs und ich fange mich und die BMW. Das ging gerade nochmal gut, bis auf einen nassen verlängerten Rücken ist nichts passiert. Aber das ist der entscheidende Moment in dem wir an dem Pfosten vorbeikommen.
Der Rest ist dann Routine, die Maschine steht im Trockenen.

Den Abend lassen wir noch etwas ausklingen bis die Müdigkeit uns in die Federn ruft.
Die letzte Etappe meiner 5 Tage Reise steht schon vor der Tür.
Licht aus!


Tour 4