Freitag, 22. August 2014

...wenn einer eine Reise tut - Tag 2

Die Nacht war anfangs ziemlich unruhig und ich brauchte eine Weile bis ich in den Schlaf kam.
Mein Fenster lag zur Hauptstraße und bis spät in die Nacht waren ein paar Testosteron Typen unterwegs, die den glatten Belag der Fahrbahn nutzten um sich an dem Quietschen ihrer Autoreifen zu erfreuen. Wie einfach doch manche Menschen zufriedenzustellen sind.
Zu meiner Freude mussten die auch irgendwann nach Hause und es wurde still in Mengen.

Ich schlief tief und fest, und nach der anstrengenden Fahrt tat der Schlaf richtig gut.
Irgendwie war die Nacht aber doch zu kurz und so kam mir zum Frühstück der Kaffee aus der original Italienischen Maschine sehr gelegen. Ein Pott reichte um die restlichen Lebensgeister zu wecken, die sich noch irgendwo unter einer Bettdecke verkrochen hatten.


Gestärkt packte ich meine Sachen, bedankte mich für die gute Unterbringung sowie den Platz in der Garage und verstaute meine Taschen auf und in der brav wartenden BMW.
Vor der Garage parkte ein Auto und ließ nur einen kleine Gasse für das Verlassen der Garage offen. Vielleicht war es das Auto des Chefs, ich wusste es nicht, hatte aber auch keine Ambition nochmals in das Hotel zu gehen und zu fragen.

Für das Motorrad war der Spalt gerade breit genug, da ich aber die BMW hätte rückwärts heraus schieben müssen war mir das nicht so recht.
Ich erinnerte mich an meine Tour im Mai, als ich nachts, etwas angeschiggert zusammen mit dem Dorfältesten in ähnlich enger Lage, das Moped in sein Carport wuchtete und mich dann kurz auf der Motorhaube des versperrenden PKWs setzen musste.
So eine Situation wollte ich hier, am helllichten Tag aber vermeiden.

Die Garage bot gerade so viel Platz, dass ich die BMW mit geschickten Lenkmanövern nach gefühlten 25 Wendungen in richtiger Position für ein gefahrloses ausfahren hatte.
Na also, geht auch so dachte ich.
Die Profi-Variante wäre das Wenden der Maschine auf dem Seitenständer gewesen, doch das hatte ich bislang nur in einem Video gesehen und noch nicht selbst ausprobiert.
Das werde ich zu Hause mal üben.

Nun ging es endlich weiter.
Heute waren noch knapp 300 Kilometer zu bewältigen und für die Strecke würde ich nach meiner Berechnung und bei Fahrt über Landstraße noch ca. 6 Stunden benötigen.
Zeit für Pausen hatte ich somit auch genug, mein Ziel Bad Aibling wollte ich so gegen 16:00 erreichen.

Leider sah die Wetterlage nicht so beständig aus, aber da es noch nicht regnete kam die Schutzkleidung zunächst im Koffer.
Auf Anraten eines Kollegen hatte ich auf der Fahrt ein Langarm Shirt und sogar eine lange Unterhose angezogen. Der Zweck der langen Arme und Beine lag nicht im Schutz vor Kälte, denn so frisch war es nicht, es ging dabei viel mehr um den Schutz bei Wärme.
Hört sich komisch an, ist aber, und so wie ich es empfand, gerade wenn man unter der Jacke oder Hose ins Schwitzen kommt sehr angenehm. So klebt die Haut nicht direkt an der GoreTex Hülle, was auch bei einem möglichen Sturz die Scheuerwirkung auf der Haut verhindern soll. Das macht Sinn, ob es stimmt probiere ich aber gar nicht erst aus.

Vom heutigen Abschnitt versprach ich mir nicht sehr viel, zumindest bis ich endlich die Alpen sehen sollte. Die Routenplanung wies auch keine erkennbar interessanten Kurvenabschnitte aus, da es mir aber mehr um die Bewältigung der restlichen Kilometer ging war das in Ordnung.
Interessanterweise habe ich an diesen Abschnitt auch im Vergleich zu sonstigen Strecken recht wenige Erinnerungen im Kopf. Nein, ich habe nicht während der Fahrt weitergeschlafen!

Aus Mengen heraus fuhr ich ostwärts über Hohentengen weiter nach Ochenshausen, von wo ich dann über Rot an der Rot – die Ampel war aber grün – in Richtung Süden und in den Allgäu kam.
Das Wetter wurde immer unbeständiger und von Western kamen dicke Wolken heran die den Himmel schließlich komplett eintrübten. Ich war aber noch unschlüssig ob ich die Regenkleidung anziehen sollte, denn unter der Gummihaut wird mir doch schnell warm, und solange es sich vermeiden lässt, lasse ich sie lieber weg.

Schließlich wurde es kurz vor Kempten im Allgäu vor mir so schwarz, dass mir die Entscheidung abgenommen wurde. Am Ortseingang des Dorfes Burg hielt ich an einem Bushäuschen an, ein idealer Stopp für eine überdachte Pause.
Regenzeug und Butterbrot auf der Wartebank ausgebreitet schaute ich dem regen Verkehr zu bis ich dann wieder alles verpackte in meine Gummihülle schlüpfte.


Mit dem Zeug fühle ich mich in den ersten Minuten immer wie ein Michelin-Männchen.
So dauert es eine Weile bis ich die BMW erklommen, und mich auf dem Thron wieder bequem eingerichtet habe.
Auch an die Nutzung der Handschuhe im „Waterproof“ Modus muss ich mich erst wieder gewöhnen, denn durch die zweite GoreTex Haut fühlen sich die Lenkergriffe viel dicker an.
Zusätzlich ist aber auch noch das Ziehen und Lösen des Kupplungshebels vom Gefühl her anders und so würge ich beim ersten Losfahren den Motor gleich wieder ab.
Ein neuer Versuch klappt.

In den restlichen 2 Stunden hatte ich aber genug Zeit mich an die neuen Gefühle zu gewöhnen, denn paar Minuten später fing es richtig zu regnen an, und leider sollte sich das bis kurz vor meinem Reiseziel auch nicht mehr ändern.

Sehr schade wie ich fand, denn der Allgäu ist sonst landschaftlich sehr ansprechend und bietet schöne Ausblicke auf die Berge, doch leider verliert sich im Regen diese Spannung.
Die Sicht war durch die Tropfen vor-, und hinter dem Visier zudem etwas getrübt, also ließ ich es ruhig angehen und konzentrierte mich auf die klatschnasse Straße.

An Kempten vorbei führte der Weg mich weiter nach Westen über Marktoberdorf und Schongau in Richtung Starnberger See den ich unterhalb passierte, um dann viele tausend Regentropfen später mitten rein nach Bad Tölz zu fahren.
Langsam bekam ich Hunger, aber bei dem Wetter hatte ich keine Lust mich mit den nassen Klamotten irgendwo hinzusetzen, konnte aber auch keinen geeigneten Imbiss ausmachen.
Auf ein Brötchen von der Tanke hatte ich keinen Appetit, und weil es ja auch nicht mehr weit war, nur noch ungefähr eine Stunde, lies ich den Hunger, Hunger sein.

An diesem Tag gab es keine besonderen Vorkommnisse, zum Glück!
Aber  was mir bei der Fahrt durch den Regen unpassend erschien, war die Wahl meines Helmvisieres. Da ich mit viel Sonne auf der Fahrt in den Süden rechnete, hatte ich schon zu Hause mein Klarglasvisier, gegen eine dunkelgetönte Variante ausgetauscht.


Dazu muss ich sagen, dass ich mir bei POLO zusätzlich eine getönte Brille der Firma 3M aufsetze, da mir das Fahren mit offenem Visier lieber ist.
Die Brille schirmt den Wind prima ab und bei warmen Wetter ist die Lüftung einfach toll.
Auf Landstraßen und bis ca. Tempo 100 Km/h ist die Brille daher meine erste Wahl.
Am ersten Tag der Reise war die Kombination Sonnenbrille plus Visier im Bedarfsfall ok, im heutigen Regen, mit nun geschlossenem Visier war es dann aber doch etwas dunkel.

In weiser Voraussicht hatte ich mein klares Visier mitgenommen, doch das war jetzt tief in den Koffern, zwischen den Hemden bruchsicher verstaut.
Da sich das Wetter in den nächsten Tagen immer wieder wechselhaft zeigen sollte tauschte ich die Scheiben dann ein paar Tage wieder zurück.

An Miesbach vorbei ging es dann in Richtung Autobahn, aber nur unten durch, ich wollte ja auf der Landstraße bleiben. Bei Irschenberg unterquerte ich die A8, eine recht steile Strecke auf der es bedingt durch die Brummis und Wohnanhänger mit gelben Kennzeichen oft zu Verkehrsstörungen kommt. Für mich heute kein Hindernis, bis auf die LKWs, die sich hier auch auf der Landstraße hoch- und runterquälen.

Von hier konnte ich dann das erste Mal die Silhouette des Wendelsteingebirges sehen, wenn auch nur im Nebel und durch die nun langsam nachlassenden Regenschwaden, doch so hatte ich ihn in Erinnerung von meinen Urlaubsfahrten und Wandertouren in dieser Region.


Mir fiel auf, dass hier an vielen Stellen der Asphalt neu aufgebracht war, teilweise ohne Markierung war und daher noch recht frisch sein musste. Bei Sonne habe ich wegen der Rutschgefahr schon Respekt vor frischem Straßenbelag, bei Regen ist mir das dann noch weniger geheuer. Doch mit dem nötigen Abstand zum Vordermann und der erforderlichen Portion Aufmerksamkeit lief alles ohne Probleme.

Das letzte Stück zog sich, und mein Hunger wurde größer, sodass ich dann doch am Ortseingang von Bad Aibling an einer Tanke stoppte. Ja, eigentlich wollte ich kein Brötchen von der Tanke, da ich aber nicht wusste, wann es das nächste Futter gibt, gab ich mir einen Ruck, der Tante an der Tanke das Geld und füllte sowohl den Tank meiner BMW, als auch den eigenen. Die restlichen 1000 Meter waren so auch kein Problem mehr.

Ganz im Zeitplan erreichte ich mein Ziel und mittlerweile, oh Wunder, war es sogar trocken. Endlich kein Regen mehr, das erste was ich machte, war mich aus meiner Regenkleidung zu pellen.
Das musste die Sonne gesehen zu haben und ließ es kräftig scheinen, sodass es mir dann gleich sogar in der normalen Motorradjacke zu warm wurde.

Die Reise endet hier, an einem Standort im schönen Wendelsteingebiet   von dem aus ich noch weitere Touren machen möchte.


Ich werde berichten.



Fahrtstrecke Tag 2

Mittwoch, 20. August 2014

...wenn einer eine Reise tut - Tag 1

Klasse, super, endlich 3 Wochen Pause, raus aus dem Büro, fast wie Urlaub und das Beste, ich fahre mit dem Motorrad! Es ist Anfang August und ich mache mich bereit für die Fahrt in den Süden Deutschlands, genauer gesagt, auf nach Bayern!

In der Nähe von Rosenheim mit Blick auf das Wendelsteingebirge sollte ich für die nächsten Wochen Quartier beziehen. Ich kenne den Bereich durch einige Wanderurlaube die ich dort schon verbracht habe, eine richtig schöne Gegend ist das, und wenn das Wetter mitspielt kann mein Vorhaben nur gut werden.

OK, das mit dem Wetter liegt nicht ganz in meiner Hand, auch wenn ich noch so viele Teller leer esse, aber die letzte Entscheidung liegt nun mal nicht bei mir.
Da aber nun gerade der August sich in den letzten Jahren als recht unbeständig zeigte, war mir klar dass sich die Regenkleidung ganz weit oben in meinem Koffer befinden wird.

Um für die 3 Wochen und jedwede Wetterlage gerüstet zu sein, sollte es dann doch schon etwas mehr Gepäck werden. Dass mir die 2 Alu-Koffer nicht genügend Platz bieten würden war abzusehen, da ich aber bereits sehr gute Erfahrung mit meiner quietsche-gelben Gepäckrolle hatte war wiederum klar, dass mir diese den erforderlichen restlichen Stauraum liefern würde. So war es dann auch.

Straßenkleidung, Wander- und Badesachen, LapTop, Tablet, etliche Ladegeräte (was man halt so braucht) Kulturbeutel, allerlei Unterwäsche und nicht zu vergessen die passende Auswahl an Schuhen, sowie Lesestoff.
Alles ordentlich verpackt und in die Koffer-Innentaschen verstaut, bzw. auf das Moped geschnallt, ging es dann am späten Montagvormittag auf die Reise.

Die Route hatte ich mir schon ein paar Tage vorher zusammengestellt, wieder eine Strecke ohne Autobahn, quer übers Land, mitten durch etliche Ortschaften sollte es gehen.
Meinen Zielort musste ich erst am Dienstagnachmittag erreichen, daher war die Aufteilung in 2 Etappen ideal.

Im Mai durchfuhr ich den westlichen Odenwald und den Schwarzwald, so wollte mich diesmal weiter östlich halten und über den Odenwald und Spessart südwärts fahren um dann an Stuttgart vorbei, auf mein erstes Ziel, die Schwäbische Alb zusteuern.
Diesen Bereich kannte ich nur von Bildern und Filmen und so war auch der nicht unerhebliche Umweg leicht zu verschmerzen den ich dadurch in Kauf nehmen musste.

Zur besseren Routenplanung und zur späteren Fütterung meines Garmin Zumo 390 LM Navigators gedachte ich wieder die dazu gehörige BaseCamp Software am PC einzusetzen.
Dachte ich mir aber nur, denn aus irgendwelchen Gründen kamen PC und Navi, trotz einiger Versuche und Neustarts beider Geräte nicht zusammen, sodass die im Zumo gespeicherte Landkarte nicht geöffnet werden konnte. Mit der rudimentären Karte der BaseCamp Software alleine ist aber eine Routenplanung mangels Detail-Tiefe nicht möglich.

Es ist nicht das erste Mal dass mir hier die Kompatibilität fehlt und das ist langsam nervig.
Wen die Schuld hierbei trifft habe ich nicht ermitteln können. Ob es am LapTop liegt, an Bills Fenster-Software v.8.1, an der aktuellen BaseCamp Version, oder vielleicht sogar an dem Anwender der sich hier ärgerte, wie dem auch sei, es funktionierte nicht. Also mussten alle Eingaben der Routenplanung nach guter alter Manier umständlich und manuell am Navi erfolgen.

Interessant war dann aber ein Bericht, den ich etwas später in der August Ausgabe der Zeitschrift Motorrad und Reisen las, in dem genau die BaseCamp Software hinsichtlich ihrer Anwenderfreundlichkeit schlecht wegkam. Nicht viel besser waren die Kritiken in Bezug auf das Handling der aktuellen Garmin Navis, mein Zumo eingeschlossen.
Ich frage mich auch wofür das Kürzel „LM“ meiner Garmin Version Zumo 390 LM steht.
Ist dieses „LM“ eine Andeutung der Entwickler wie sie die Wichtigkeit der Navi-Nutzung durch Motorradfahrer für sich selbst einstufen, wer weiß?

Ich will mir hier die Erklärung der umständlichen Programmierung einer Route mit etlichen Wegpunkten über das Menu des Zumo Navis ersparen, es sei nur so viel gesagt, dass pro Wegpunkt der Ort und die Straße eingegeben werden müssen, so viel ist ja auch logisch, doch wenn man nun eine Markierung außerhalb eines Ortes ansteuert muss dies über einen weiteren Schritt in einer Karten-Feinjustierung der gewünschten Straße, bzw. Abbiegung erfolgen. Bei dem teilweise trägen Display ist das ein Unterfangen.

Ich freue mich schon auf das erste Navi, mit einem gescheiten Display und rechenstarken Prozessor, die neuen Smartphones wären hier eine tolle Vorlage für die Navi Hersteller.
Eine Navi Software auf mein Smartphone zu laden und dieses dann in einer wasserfesten Hülle zu betreiben ist im Moment keine Option, da sich durch Sicherheitsvorkehrungen aufgrund der E-Mail Kopplung zum Firmen E-Mail Konto, mein Handy nach maximal 10 Minuten automatisch sperrt.

Für die Routeneingabe habe ich dann über Google Maps die nötigen Daten und Kartenausschnitte ausgelesen und von Hand die Wegpunkte der insgesamt 748 Km langen Strecke im Navi programmiert. Der Zumo hat bei der nachfolgenden Berechnung der Strecke sehr mit sich gerungen und eine üppige Bedenkzeit gebraucht, frei nach dem Motto: Das Navi denkt bevor der Fahrer lenkt.

Seit meinen ersten Erfahrungen im Mai habe ich den Umgang mit dem technischen Wunderwerk Navi besser im Griff, auch wenn ich auf der Fahrt an manchen Stellen dann doch wieder meinen Hader mit der Funktion „Kurvenreiche Strecke“ hatte. Speziell auf langen Abschnitten wie Bundesstraßen passiert es schon mal, dass das Navi es für sinnvoll erachtet einen kleinen Schlenker in einen Ort zu machen, um 200 Meter weiter dann wieder auf die Bundesstraße aufzufahren. Das ist besonders frustrierend, wenn man den Unsinn zu spät im kleinen Display sieht und dann die LKWs und Wohnmobile die gerade erst überholt werden konnten, nach dem Dorfabstecher erneut vor sich hat.
Da sollte doch die Software etwas sinnorientierter programmiert werden.
Ich glaube das Kürzel „LM“ hat wirklich die Bedeutung die ich vermute.

Mensch, nun habe ich schon so viel geschrieben bin aber noch gar weit gefahren, das ändert sich aber jetzt.
Für die Montags-Etappe waren 458 Km geplant, eine sehr lange und eigentlich zu lange Strecke wie ich später fand. Denn die Vermeidung von Autobahnen, das Durchfahren vieler Ortschaften und die Option „Kurvenreiche Strecke“ erlauben nach meiner jetzigen Erfahrung eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur ca. 50 Km/h. So war es dann am Ende auch, dass ich 9,5 Stunden unterwegs war, mit nur einer 45 minütigen Pause und kleinen Stopps für Verschnaufpausen, Aufnahmen oder um einfach den Ausblick zu genießen.
Somit kam ich auch recht spät am Abend an meinem Zielort an.

Bis dahin vergingen die Stunden mal mehr, mal weniger interessant, durch zum Teil wirklich schöne Ortschaften, aber auch durch langweilige Randbezirke der zu passierenden Großstädte.
Wenn ich jetzt zurückblicke fällt mir auf, dass bedingt durch die wirklich lange Fahrtstrecke, mir längst nicht so viele Details in Erinnerung geblieben sind wie auf meiner Fahrt im Mai.
Dies zeigt, dass einerseits nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit besteht, andererseits aber für die Bewältigung einer solchen Strecke zu wenig Zeit bestand um genügen Denk- und Ansichtspausen einzubinden.
Bei der nächsten Tour wollte ich dies dann berücksichtigen; wollte wie gesagt, aber dies ist eine andere Story, die muss ich erst noch aufschreiben, doch zunächst zurück zu dieser Tour.


Wie geschrieben, Abfahrt war am späten Vormittag. Die Fahrt ging am Rhein entlang durch Wiesbaden, an Mainz-Kastel vorbei, mitten durch Rüsselsheim hindurch – das mache ich auch nicht wieder – und dann weiter über Langen-Mörfelden in Richtung Süd-Osten.
Die Strecke war nicht besonders spannend.
Interessant ist aber mein Gefühl für Orte, in denen ich schon einmal war. So fuhr ich durch den Ort Münster, der mir zunächst kein Begriff war, bevor ich dann das Empfinden hate, hier schon einmal gewesen zu sein, und so war es dann auch. Ich kam auf dieser Reise zwar aus einer anderen Richtung in den Ort, dennoch erkannte ich eine Ausfallstraße anhand ihrer Weite und des Häuserbestands wieder, kurz bevor ich an dem Haus eines Arbeitskollegen vorbei fuhr. Zum Anhalten hatte ich zwar keine Zeit, aber gefreut über diesen Zufall habe ich mich trotzdem.

Es ging weiter durch Gross-Umstadt in Richtung Süden und in den Odenwald.
Bei Bad König verließ ich die B45 um etwas mehr Spaß an den kleinen und kurvigen Nebenstraßen zu haben und schlängelte mich bis nach Eberbach am Neckar, den ich dort auch querte, um dann weiter, Kreutz und Quer über Land zu fahren, durch Bad Rappenau, Bietigheim-Bissingen und links an Ludwigsburg vorbei.

Hinter Markgröningen verließ ich die Umgehungsstraße, um getreu der angezeigten Route mitten durch den Ort Münchingen zu fahren.
Das ging jedoch leider nicht, da eine etwas spät ausgeschilderte Baustelle die Hauptstraße abriegelte. Vor dem gleichen Problem stand ein Jaguar Fahrer, der scheinbar ortskundig seinen Wagen flink wendete um dann gleich rechts in einen wie mir schien, asphaltierten Feldweg einzubiegen.

Während ich noch vor der Absperrung stand um auszuloten ob eine Durchfahrt doch möglich sein, kam von rechts eine Frau mit einem Audi A6 den Berg herauf, bog links ab und fuhr ebenfalls in diesen Feldweg ein.
Gut dachte ich, dies scheint eine Ausweichmöglichkeit zu sein, drehte um und fuhr hinterher.
Als ich etwa 20 Meter in den steil ansteigenden Feldweg eingefahren war, stoppte die Fahrerin des A6 vor mir plötzlich und lies den Wagen ohne den Rückwärtsgang einzulegen sofort zurückrollen und kam sehr schnell auf mich zu.

Da ich nicht wusste ob mich die Frau – trotz meiner eingeschalteten Zusatzscheinwerfer – in ihrem Rückspiegel sieht, gab ich Gas um nach rechts auf den schmalen Randstreifen des Weges auszuweichen.
Da ich aber schon fast stand und im zweiten Gang war, ging das nicht so schnell wie ich hoffte, sodass es dann doch zu einer Kollision kam.
Es rumpelte, einen kleinen Ruck habe ich auch gespürt, dann standen wir beide.

Die Frau stieg ganz verdattert aus und sagte in einem hier üblichen, aber für mich kaum verständlichen Dialekt, „Iscchhh häbbb sie gaa nichh gesäähäee“ – oder so ähnlich. Ich wusste aber was sie meinte. Ich war froh dass ICH sie gesehen habe und noch reagieren konnte, denn sonst wäre meine Fahrt hier zu Ende gewesen.

Was da gerumpelt hat war mein linker Alu-Koffer, der mit einer Ecke das rechte Rücklicht des A6 eingedrückt hatte, Lackschaden gab es aber zum Glück nicht.
Mein Koffer war Dank der hervorragenden Schmiedearbeit der Firma Touratech, bis auf eine winzige Abschürfung an der Kunststoffecke unversehrt, sodass wir uns auf eine Weiterfahrt ohne Unfallaufnahme verständigten.
So schnell kann es gehen dachte ich.

Den Feldweg wollte ich dann doch nicht weiter fahren, drehte und fuhr auf die Umgehungsstraße zurück. Ich ärgerte mich nochmals über die schlecht ausgeschilderte Baustelle und dann noch über den Fakt, dass mich die geplante Route am Ortsausgang ohnehin wieder auf diese Umgehungsstraße gelotst hätte.

Den Schreck verdaut ging es weiter über Ditzingen und dann, es ließ sich leider nicht ganz vermeiden, in den Sog von Stuttgart.
An Leonberg kam ich noch vorbei, fuhr dann aber mitten durch Vaihingen, was mich etwas Zeit kostete und auch für reine Durchreisende wie mich nicht besonders interessant ist.


Weiter südwärts, nun wieder auf freier Flur, führte die Strecke an Steinenbronn vorbei, dann mitten durch die Uni-Stadt Tübingen und weiter durch alle möglichen Orte mit der Endung „…ingen“, bis ich nach Weilstetten kam.

Hier sollte es wieder spannend werden, zumindest versprach dies das Wort „Passstraße“!
Es ging auf den Lochenpass, dessen Passhöhe auf 888 Metern liegt und von Weilstetten über eine Strecke von 7,5 Kilometern und ca. 300 Höhenmeter Unterschied, nach Tieringen führt. Wer diese Strecke mal fahren möchte sollte sich über das Wochenendfahrverbot für Motorräder in Richtung Tieringen informieren.



Wie es meistens kommt, fuhr ich im Konvoi schön brav hinter ein paar Autos, zwei anderen Motorrad Kameraden, und wir alle hinter zwei dicken LKWs den Berg hinauf, überholen war nicht.
Da mir das zu dumm war steuerte ich in einer Links-Kehre rechts raus und wartete eine Weile. Jedoch war die Schlange langsamer als gedacht, sodass ich diese recht schnell wieder einholte. Die Gelegenheit war günstig und ich zog an den PKWs und den Kameraden vorbei, hatte somit nur noch die beiden Trucks vor mir. Freundlicherweise bog dann der Eine gleich auf einen Parkplatz ab, nur der langsamste von allen, sozusagen der schwere Kopf der Schlange hielt weiter Richtung den Berg hinauf.

Es packte mich die Unvernunft, eigentlich aus Frust, nur dieses eine Mal hier fahren zu können und dann nen‘ ollen LKW vor sich zu haben, und setzte zum Überholen an.
Auf halber Länge neben dem Riesen ging mir dann durch den Kopf, dass ich die Gegenfahrbahn nicht ganz habe einsehen können und wie doof ich doch bin, so einen Scheiß zu machen.
Zum Glück ging es gut, aber ich habe mich selbst am meisten erschrocken und über diese Dummheit geärgert. Dies soll mir eine Warnung gewesen sein!

Etwas weiter dann kurz hinter dem Ort Hossingen hat es eine recht scharfe Links-Kehre, deren Verlauf ich erst nicht ganz erkannte, und mich darum etwas zu früh in die Kurve legte, sodass ich dann mit dem Oberkörper recht weit innen auf meiner Spur war.
In dem Moment ging mir ein Video durch den Sinn, dass ich vor ein paar Wochen als Fahrtrainings-Simulation in genau der gleichen Kurvensituation gesehen hatte. In dem Video wurde anschaulich gezeigt, wie weit in einer solchen Kurve ein entgegenkommender Bus oder LKW auf meine Seite hinausfahren muss, um die Kehre überhaupt nehmen zu können. Und ich war in dem Moment genau in dem Bereich.
Zum Glück kam keiner, aber wieder war mir dieser Faux Pas sehr deutlich vor Augen.
Ich merkte, dass es durch die lange Fahrt und wenige Pausen nun auch eine Frage der Konzentration wurde.

Manchmal habe ich so gewisse Vorahnungen und dies war durch die zwei Vorfälle nun genau der Moment. „Zweimal ging es gut“ hämmerte es mir im Kopf, „du musst dich konzentrieren – Mann pass besser auf!"
Ich hatte es nicht mehr weit und wollte daher keine Pause machen, ein Fehler, wie ich nur kurz darauf erfahren durfte.

Nur zwei Orte weiter trifft die Kreisstrasse 7148 auf die 7149 die aus dem Ort Hartheim herunter kommt. Eigentlich eine sehr gut und weit einsehbare Stelle.
Meine Fahrspur lief im 45° Winkel auf die andere zu, sodass ich vor dem Rechtsabbiegen auf die 7149 den Verkehr super überblicken konnte, und es war nichts los.

Dennoch fuhr ich im Schritttempo an die Abbiegestelle heran, lenkte ein, rollte weiter und wollte gerade Gas geben, als ich im letzten Moment, aus den Augenwinkeln heraus, einen Wagen von links kommen sah.
Nun war ich just im Begriff durchzustarten und hatte auch schon etwas Schräglage, musste aber, um eine Kollision zu vermeiden, einen Full-Stopp einlegen.
Der Wagen zischte an mir vorbei.
In dieser Lage konnte ich das Gewicht des nun schräg stehenden Motorrads mit seinem zusätzlichen Gepäck nicht mehr halten und musste die BMW langsam nach rechts auf die Straße ablegen.
Wieder Glück gehabt! Bis auf ein paar kleine Kratzer am Handschoner ist nichts passiert.

Ich bin mir sicher, dass die ersten beiden Warnungen mich auf diese Situation hinweisen sollten, doch wie es dazu kam, dass ich den Wagen überhaupt habe übersehen können ist mir unklar. Wie gesagt, die Straße war sehr gut einzusehen. Letztlich ist es aber auch irrelevant, denn es hat mir klar gemacht, dass ich nicht konzentriert genug war.

Gut fand ich das Verhalten des jungen Autofahrers, der im Rückspiegel sah wie die BMW umkippte, prompt wendete, und zurück kam um sich nach meinem Befinden zu erkundigen.
Meinen herzlichen Dank an den jungen Mann für die freundliche Geste.

Nun war es ohnehin mein Plan nicht weit weg von hier eine Bleibe zu suchen, sodass ich mich, nachdem ich mich wieder berappelt hatte, weiter auf den Weg machte.
Ich war nun wieder voll bei Sinnen.
Über Bärenthal ging es dann in Richtung Beuron an der Donau weiter, und hier zeigte sich mir erstmals das, was ich unter der Schwäbischen Alb verstand.


Die Felsen aus Jurakalk ziehen sich in dem Gebiet das ich befahren habe weitestgehend an der Donau entlang und ragen weiß leuchtend in den Himmel. Toll, so habe ich es mir vorgestellt. Ich fahre die Schlangenlinien nach Beuron herunter, überlege kurz und fahre wieder bis auf halbe Strecke zurück. Nicht um die Kurven nochmals zu fahren, ich wollte am Aussichtspunkt oberhalb von Beuron nochmals anhalten um ein paar Bilder zu machen. Die Zeit nutzte ich auch für die längst fällige Pause.

Nach einer Weile erklomm ich die BMW und fuhr über Leibertingen und Lengenfeld einen schönen Abstecher, rauf und runter durch die Felsen, eine grandiose Strecke.


Weiter ging es stracks an der Donau entlang in Richtung Sigmaringen, auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht.
Die Sonne stand nun so tief hinter mir, dass ihre Strahlen die Felsen noch schöner gegenüber dem blauen Himmel hervorhoben – was für ein herrlicher Anblick – am nächsten Morgen wäre das Licht ein Anderes und nicht so voluminös gewesen, also fuhr ich weiter.


Unterwegs hielt ich nochmal an um die hier so typischen Mini Tunnel im Jurakalk zu fotografieren.


Nachdem ich Sigmaringen passierte und am Ortsausgang nicht mehr fündig wurde, bekam ich von einem bereits belegten Hotel den Tipp, ca. 10 Kilometer weiter in den Ort Mengen zu fahren, und dort im Hotel Anker oder im Rebstock nachzufragen.
Das Hotel Anker lag nicht so schön, daher fuhr ich noch die paar hundert Meter weiter zum Hotel Rebstock, welches ich sogar ohne Navi fand.

Zwei junge Frauen empfingen mich und es war sogar noch ein sehr gemütliches Zimmer für mich frei.
Das Beste aber war, dass mir für mein Motorrad gleich einen Parkplatz in der hoteleigenen Garage hinterm Haus angeboten wurde. Das Angebot konnte und wollte ich nicht ausschlagen, auch wenn ich von dort dann mit Sack und Pack beladen, und in den dicken Klamotten, bis in den zweiten Stock stiefeln durfte.
Freundlicherweise nahm mir eine der Frauen etwas Gepäck ab und half beim Tragen.
Ich war mir sicher, dass die BMW und ich eine gute Unterkunft gefunden hatten.


Das Abendessen war perfekt, und nach dem ich meine Sachen zum Lüften aufgehangen hatte viel ich todmüde ins Bett.
Es war alles in allem, trotz der Schrecksekunden ein guter und erfüllter Tag.


Route der Anreise - Tag 1

Dienstag, 19. August 2014

...der Koffer-Hoffer


Die u.a. Koffer Story hatte ich bereits in meinem Post "...wenn einer eine Reise tut - Tag 1" stehen, jedoch war dadurch der Reisebericht zu lang. Darum habe ich kurzer Hand, den Koffer-Hoffer Teil in diesen neuen Blog separiert.

Wer den Text schon kennt muss ihn nicht spielt lesen, wer ihn noch nicht kennt, dem wünsche ich viel Spaß beim Lesen.

Ich hatte gar nicht erwähnt, dass ich nach gut 5 Monaten dann doch noch stolzer Besitzer von Original BMW Alu-Koffern (made by Touratech) passend für meine GS 800 Adventure wurde.
In meinen Reiseberichten aus dem Mai beschrieb ich ja den langen Entstehungsprozess von der kontinentalen Erdplattenverschiebung bis hin zu dem kleinen einsamen Schmiedemeister der in viel Handarbeit meine Köfferchen in seiner kleinen Werkstatt dengeln musste, und auch über meine vergebens unternommenen Anrufe bei der BMW Kundenservice-Nix-Hilf Hotline.

Nachdem irgendwann im Juni der rechte Koffer bei meinem Händler eintrudelte, mir zu dem Zeitpunkt aber nur ein vager Termin zur Lieferung des linken Koffers für den 17. Juli genannt werden konnte, rief ich also nochmals bei der Hotline an.
Den Ausgang dieses Telefonats hätte ich vorher schon aufschreiben können – „wir wissen nix, haben keine Ahnung wann der Zulieferer liefert, haben keine Kontrolle über die Bestellungen, und überhaupt kann keiner bei BMW helfen. Sie können aber eine E-Mail an  motorrad@bmw.de  senden.“

Toller Tipp, bei einem einigermaßen strukturiertn Bestellablauf und einer ebenso klassifizierten Hotline hätte ich erwartet, dass der Händler bzw. die Hotline selbst die Nachfrage stellt! Soweit aber meine Illusion – wie war das mit der Servicewüste Deutschland? In meiner Anfrage trifft das auf jeden Fall zu.

Nun gut, so schrieb ich denn am Montag den 23. Juni eine Mail an besagte Hotline mit Erklärung, dass ich die Koffer bereits am 17. Februar bestellt habe und ich gerne einen konkreten Termin für die Lieferung des Linken Koffers bestätigt bekommen möchte.
Ich war sauer!

Am nächsten Tag rief mich mein BMW Händler mit der frohen Botschaft an, es sei Weihnachten und der fehlende Koffer habe heute Morgen vor der Tür gestanden.
Wau, das ging aber fix dachte ich, mir war aber klar, dass dies nur ein Zufall sein konnte und nicht im Zusammenhang mit meiner Beschwerde stehen könne.
Aber was für ein Witz, ich rufe Donnerstags, oder Freitags – ich weiß es nicht mehr genau – bei der Hotline an, gebe meine Bestellnummer und Teilenummer durch und dort weiß man nicht, dass sich die Ware schon in der Anlieferung befindet.

Wie dem auch sei, ich freute mich über diese unerwartete Wendung und holte die Koffer ab.


Einen Tag später erhielt ich eine Mail von der BMW Motorrad Direct Hotline mit der Bestätigung, dass man meine Mail erhalten habe, die Anfrage an entsprechende Stelle weitergegeben wurde, und ich von dort aus weitere Nachricht erwarten darf.
Lustig war der Zusatz in der Mail: „Aktuell interessieren sich sehr viele Kunden für unsere Produkte. Wir antworten Ihnen natürlich so schnell wie möglich.“
Dass sich viele Kunden für die Produkte interessieren kann ich mir gut vorstellen, das tue ich ja auch, aber das sollte eine Logistik auch in ihrem Bestellwesen bei den Zulieferern berücksichtigen.
Das nenne ich Logistik im Blindflug.

Wiederum eine Woche später erhielt ich eine weitere Mail der „Bitte Mal Warten“ Hotline in der man sich für die verzögerte Lieferung entschuldigte und als Begründung die enorme Nachfrage angab, und dass mein fehlender Koffer mittlerweile ausgeliefert sei.
Immerhin, sie haben es bemerkt.

Aber, ich will nicht kleinlich sein, es gibt sicherlich sehr viele gute Beispiele in denen die Lieferungen über den Bereich BMW Motorrad reibungslos funktionieren. Außerdem hätte ich doch diese lustige Geschichte in meinem Blog sonst nicht schreiben können. Also besten Dank an BMW für den tollen Beitrag.
Mal sehen, was ich noch bestellen könnte – vielleicht eine Einspritzpumpen-Innenbeleuchtung, das wäre mal einen Versuch wert.
(Anm. des Schriftstellers: Für die, die sich in dem Fach nicht so auskennen, so eine Innenbeleuchtung gibt es nicht, aber mal sehen wie lange es braucht bis die geliefert wird)

ENDE

Freitag, 30. Mai 2014

...der Kreis schließt sich! Tour 5

Im Zimmer ist es kalt. Ich habe gestern Abend die Fenster offen gelassen, die Rollläden habe ich auch nicht richtig geschlossen und so dringt die frische Eifelluft in den Raum.
Zum Schutz ziehe ich mir die Decke noch weiter ins Gesicht und schlage die Bettdecke an den Füßen so um, dass diese wie in einem Schlafsack eingehüllt sich vor der Kälte verstecken können.

Es ist fast acht Uhr und draußen ist es noch sehr still, eine Stille die schon fast wieder laut in den Ohren dröhnt, so ungewohnt aber doch vertraut. Ich erinnere mich als ich vor 24 Jahren in Ostwestfalen-Lippe, im Luftkurort Holzhausen-Externsteine wohnte, dort war es nachts auch totenstill, fast unheimlich.
Hätte es dort Bürgersteige gegeben, wären die nachts hochgeklappt worden. Da die Lipper aber gewisse Ähnlichkeiten mit den Schotten haben, hat man lieber gleich gar keine Bürgersteige gebaut.

Meine Gedanken sind wieder in der Eifel, ich bin nochmals eingenickt und werde von einem Rumpeln wach. Die Müllabfuhr ist gekommen. „Am Samstag? – ach ja, Donnerstag war ja Feiertag, da holen die den verlorenen Tag immer samstags nach.“
Jetzt bin ich aber doch froh, dass ich mein Moped gestern Abend in den Carport gewuchtet habe. Die Straße vor der Tür ist eng und so ein Mülllaster ist breit.
Das Rumpeln wird leiser, die Männer mit den orangefarbenen Hosen sind weitergefahren, die Ruhe kehrt wieder ein, aber nicht für lange.

Im Hintergrund höre ich ein Brummen und jaulen, erst leise dann lauter, dann wieder weg. „Auf dem Ring fahren sie schon“ – geht es mir durch den Kopf. Heute ist kein offizielles Rennen, das werden private Rennfahrer sein, so wie die 4 Typen aus Schweden die wir beim Eifel-Italiener getroffen haben. Die sitzen jetzt sicher in ihren heißen Kisten, sofern sie sich nicht gestern die Finger an den heißen Steinen verbrannt haben.
Der Dorfälteste meinte gestern, dass eine Runde auf der knapp 21 Km langen Strecke durch die grüne Hölle ab dieser Saison 27 Euro kostet. Ein stolzer Preis, wenn man bedenkt, dass die Runde in ca. 20 Minuten abgefahren ist.

Das ist schon irre, da kommen Menschen von so weit her, investieren enorme Mengen an Zeit, Geld und Material um hier für ein paar Stunden ihre Schleifen zu drehen.
Es fährt ja auch immer das Risiko eines Schadens mit, auch wenn es nur Blech zu beklagen gibt. Aber das nehmen sie alle gerne für die Freude und den Spaß ihres Hobbies in Kauf.
So wie mir auch das Motorradfahren Spaß macht, sonst gäbe es diese Zeilen hier nicht.

Mein Ältester arbeitete eine Zeit lang bei einem Rennstall hier am Ring und es war jedes Mal eine andere Welt die sich mir hier zeigte. Eine Welt, sehr vom sogenannten starken Geschlecht geprägt, in der es um Leistung und Erfolg der Teams geht. Nur wer schneller ist kommt weiter. Leider lassen sich zu viele Zuschauer von diesem Hype anstecken um sich dann, außerhalb der Rennstrecke vom Adrenalin beflügelt, auch gerne selbst zu überschätzen.

Überschätzt haben einige Landesvertreter auch den Gewinn, den das Eifeldorf und die Attraktionen am Nürburgring abwerfen würden. Tun sie aber nicht und so soll nun einiges verändert werden sagte der Dorfälteste. Ich erinnere mich noch an die Bilder im Fernsehen, als ein nicht ganz unbekannter Tennisspieler als Werbeträger in der Ring-Racer Achterbahn saß, diese dann aber aus Sicherheitsgründen nur geschoben werden durfte, kein Witz!

Es wird Zeit, ich schiebe auch, und zwar mich aus dem Bett.
Kurz darauf sitze ich frischgemacht und aufgehübscht mit meinen Gastgebern am Frühstückstisch. Das Angebot ist sehr reichhaltig und ich überlege ob ich nicht hier einziehen soll. Man nimmt mir aber die Illusion dass dies jeden Tag so sein wird also verwerfe ich den Gedanken schnell.
Wir unterhalten uns als das Telefon klingelt. Es ist der jüngere Bruder des Dorfältesten, der, wahrscheinlich weil er noch jünger ist nur „Fast-Dorfältester“ geworden ist.
Der Ältere und ich wechseln den Hörer und ich dann ein paar Worte mit dem Jüngeren.

Meine Handy Digitalzeitanzeige rät mir zum Aufbruch denn ich habe heute noch ein paar Kilometer zu fahren und auch noch einen weiteren Besuch auf dem Programm.
Kurz darauf stehe ich wieder in Motorradkluft und sämtlichem Gepäck vor der Tür.
Die Zufahrt zum Carport ist frei, das Auto des Nachbarn, das mir gestern kurzfristig als Sitzplatz diente ist weg. Das ist gut, denn voll bepackt mochte ich mich nicht an dem Auto vorbeizwängen.

Verabschiedet und auf ein neues Treffen verständigt werfe ich den Motor an, ein Druck auf den Knopf und der Auspuff blubbert mir zu, dass alles für den Abmarsch bereit ist.
Vor einigen Jahren fuhr ich eine ältere KTM LC4, die hatte keinen E-Starter und so hatte ich oft meine liebe Not das Gefährt anzuwerfen. Umso ehrfürchtiger genieße ich heute den Starter meiner BMW, es lebe die Technik!

Meine Hände umfassen den Lenker, die Linke greift und zieht den Kupplungshebel.
Der rechte Fuß steht fest auf den Boden, mit dem Linken ein leichter Druck auf den Schalthebel, der erste Gang ist drin. Das Motorrad macht einen leichten Ruck nach vorne, die Kupplungsscheiben müssen sich erst an den Schub des Getriebes gewöhnen.
Meine linke Hand entspannt sich während die Rechte den Gasgriff leicht nach unten dreht.
Die Kette spannt sich und zieht mit geballter Kraft das Rad nach vorne, jetzt geht es wirklich los.

Im Rückspiegel sehe ich meine Gastgeber immer kleiner werden, ich winke noch einmal zu, dann geht es wieder rechts ab am Wald entlang auf der K18, vorbei an dem Fischerteich.
Ich bin noch nicht ganz bei der Sache, und so passiert es mitten im Scheitelpunkt der Spitzkehre am Teich, dass plötzlich der Motor ausgeht. Die Anzeige im Cockpit zeigt mir auch warum – ich hatte den vierten Gang drin, und der ist bei dem niedrigen Tempo in der Kehre keine gute Wahl.
Etwas erschrocken und mit einem Schlenker komme ich am rechten Fahrbahnrand zum Stehen; das ist nochmals gut gegangen. Zwar hat es hier keinen Verkehr der mir hätte Sorgen machen müssen, aber das Risiko bei einem solchen Fauxpas umzukippen ist recht hoch, erst recht mit kurzen Beinen.

Nun, durch den Vorfall ganz wach erreiche und quere ich die B258, und fahre auf der gleichen Strecke zurück die ich gestern kam. Nach ein paar Minuten ignoriere ich wieder einmal die Anzeige auf dem Navi, Motorradfahrer wollen ja frei von Zwängen sein und fahre an der empfohlenen Abzweigung vorbei.
So klug ist der Freiheitsdrang nicht immer, gerade wenn man dann gezwungen wird, mehr zu tanken. Aber mit dem dicken Tank meiner F800 Adventure mache ich mir darüber keine Sorgen. Also weiter auf eigenen Pfaden durch die Eifel, eine tolle Landschaft.

Irgendwann entschließe ich mich dann die ursprünglich geplante Richtung wieder aufzunehmen und komme so über Dankerath auf die L72 nach Bodenbach und Gelenberg und auf der L70 durch das schöne Waldstück nach Kelberg.
Quer über den Kreisel geht es dann auf einen Abschnitt den ich noch nicht kenne, das ist gut, denn einen großen Teil der Strecke bin ich ja gestern schon gekommen.


Landschaftlich hat sich seit meiner Abfahrt nicht viel getan, viele weite Felder und einzelne Waldflächen wechseln sich ab. Heute scheint die Sonne und mit Ausnahme von ein paar hochhängenden Wolken habe ich freie Sicht auf den blauen Himmel.
Mein Ziel ist der Hunsrück, und um den zu erreichen muss ich erst einmal die Eifel in Richtung Mosel passieren. Doch bis dahin ist es noch ein Stück und so ziehe ich meine Kurven auf der L95, unter der Autobahn A48 durch, weiter auf die L52 nach Müllenbach und die B259 nach Büchel, die Mosel kommt näher.

Irgendwann geht es dann los, steil den Berg hinab zum besagten Fluss.
Die Straße ist zwar recht breit und glänzt mit gut fahrbaren Kurven, doch scheint es genügend Anlass gegeben zu haben, hier spezielle Warnschilder für Motorradfahrer aufzustellen. Also halte ich mich so gut es geht an die Geschwindigkeitsbegrenzung und winke dem Mopedfahrer und seinem Sozius hinterher, die mich kurz darauf überholen.

Auf dem Weg nach unten fällt mir eine Brücke auf, die trotz der Steillage über mich hinweg geht. Wohin die wohl führt frage ich mich, die Antwort sollte ich bald bekommen.
Die B259 führt direkt an die Mosel heran, dort in den Ort Sehl.
In Blickrichtung liegt Cochem, oben auf dem Berg das Wahrzeichen der Reichsburg, die aus dem 12ten Jahrhundert stammt und die früher als Zollburg diente.
Land zu besitzen und dem Durchfahrenden Zoll abzuknöpfen hat sich früher schon rentiert.
Die einträglichsten Grundstücke sind heutzutage 1m² groß, meist direkt an stark befahrenen Straßen gelegen und mit kleinen unscheinbaren Säulen und Starenkästen bebaut.


Nachdem ich meine Kamera wieder verstaut habe und mich in Richtung Cochem auf den Weg mache, weist mich mein Navi an wieder nach links abzubiegen. Ich wundere mich, lasse mich aber auf den Wunsch ein und fahre auf steilen Wegen durch den Ort Sehl den Berg wieder hinauf. Aha, das ist also die Brücke, die ich vorher von unten gesehen habe dämmert es mir auf, als ich über die B259 hinwegbrause.
Eben noch an der Mosel, jetzt wieder oben auf der Höhe? So ganz verstehe ich es nicht, denn ich hätte doch eigentlich auf die andere Seite der Mosel gemusst.
Nicht wundern und einfach mal dem Navi folgen denke ich mir, ich habe doch Zeit.

Über die Höhe geht es dann südwärts auf der K22, und dann wieder den Berg hinab, die Mosel fest im Blick und auf der B49 an selbiger entlang auf eine Brücke zu.
Die Zuversicht ist groß den Hunsrück zu erreichen als ich über die Brücke nach Senheim komme, und durch den Ort hindurch auf der L98 wieder den Berg hinauf fahre, die Richtung passt.


Bevor ich die Mosel aus den Augen verliere möchte ich noch schnell noch ein Foto machen und halte hinter einer Spitzkehre auf einer recht langen, aber steilen Geraden an. Den Weg scheinen nur einheimische zu kennen denke ich. Aber scheinbar muss es hier auch einheimische mit gelben Kennzeihen und dem Aufdruck NL geben.
So auch dieser Herr, der mit recht beachtlichem Tempo den Berg herunter brettert, dicht gefolgt von seinem Wohnanhänger und dann gerade noch rechtzeitig den Verlauf der engen Kehre erkennt. Mit heftigen Bremsmanövern und wackelndem Wohnzimmer kommt er gerade so um die Kurve, zum Glück kam ihm an der Stelle keiner entgegen, das wäre nicht gut ausgegangen.

 
Auf geht’s, auf den Sattel und los, immer weiter im Zick Zack den Berg hinauf, vorbei an Weinbergen durch Grenderich und dann wieder nach rechts auf die L199. Nach rechts? Wieso? Geht es da nicht zur Mosel? Stimmt, ich komme bergab durch ein Tal in den Ort Merl an der Mosel.
Ich glaube ich habe ein Déjà-vus.
Der Sinn ist mir nicht ganz klar, aber es muss etwas mit der Navi Einstellung „Kurvenreiche Strecke“ zu tun haben. Das Navi meint es heute besonders gut mit mir.

Vielleicht liegt es aber auch an der Erdrotation die hier am Moselgraben schneller zu sein scheint, ich mache mir so meine Gedanken.
Weiter flussaufwärts komme ich durch Zell an der Mosel, hier kenne ich mich aus, doch das Navi zeigt schon wieder eine andere Richtung an als ich sie mir vorstelle.
Nein, diesmal mache ich was ich möchte, sonst komme ich gar nicht mehr vom Fluss weg. Während der Fahrt schiele ich dann aber doch auf die Strecke die mir mein Navigator zuweisen wollte, überlege kurz ob ich drehe und mich doch darauf einlassen soll, lasse es aber dann und folge der B421 den Berg hinauf. Im Nachhinein wäre die andere Strecke doch sehr interessant gewesen, na ja, dann halt das nächste Mal.

Die B421 ist eine kleine Rennstrecke, hat kaum nennenswerte Kurven und so lässt sich mein Navi wieder einen kleinen Abstecher einfallen um etwas mehr Fahrspaß zu generieren. Von der Bundesstraße geht es ab nach Panzweiler, durch den Ort durch und danach wieder zurück auf die „B“, tolle Sache. Die Bewohner wird es freuen wenn das Mode wird.

Der B421 folge ich weiter durch Kappel, immer geradeaus, dann durch ein Waldstück und über eine Kuppe, bis ich von weitem den gelben Wasserturm meines heutigen Zwischenzieles sehe. Ich quere die B50 und halte für einen Tankstopp kurz hinter dem Ortsschild an. Da ich heute noch nach Hause kommen möchte und der Tank das letzte Mal in den Vogesen bei besagter Leclerc Station gefüllt wurde gieße ich ordentlich nach.

In den letzten Jahren hat sich hier im Ort so viel verändert. Neubaugebiete wurden erschlossen, Einkaufszentren gebaut, andere Geschäfte geschlossen, Straßen erneuert, Häuser gebaut oder abgerissen, die Fußgängerzone umgebaut und der Wasserturm von Weiß in Gelb umgestrichen. Viele Male bin ich hier schon gewesen, habe Spaziergänge gemacht und Menschen getroffen.

Wichtige Menschen traten hier in mein Leben, Menschen die mich angenommen haben ohne zu fragen, Menschen die mir viel bedeuten und von denen ich viel gelernt habe, doch leider sind nicht mehr alle auf dieser Welt, aber so ist der Lauf der Dinge.
Es verbindet mich noch viel mit dem Ort, und doch dreht sich das Lebensrad unaufhaltsam weiter.
Ein paar Minuten später erreiche ich mein Etappenziel – ich werde von einem besonders wertvollen Menschen erwartet.




Es ist Spargelzeit, und so werde ich zum Mittagessen verwöhnt. Klassisch mit Schinken, Kartoffeln und geschmolzener Butter, einfach lecker. Später dann noch ein Stück Kuchen und Kaffee um die Geister für die Weiterfahrt zu wecken. Leider vergeht bei der Unterhaltung die Zeit wie im Flug und so wird es wieder Zeit sich in Schale zu werfen.

Das Stichwort Schale ist gut, ich fühle mich durch die Protektoren an Ellenbogen, Schultern, Rücken, Hüfte und Knien manchmal wie eine Schildkröte. Aber genau darum geht es ja auch, denn sollte die Schildkröte doch mal auf den Rücken fallen, soll der Panzer entsprechenden Schutz geben, und beim Fahren und auch sonst stört es mich nicht.
Lediglich die SIDI Adventure Stiefel, die mir bis jetzt sehr treue Dienste und absolut trockene Füße beschert haben, müsste ich an den Schnallen mal mit Silikonspray einnebeln denn sie quiteschen als ob sie noch zu bezahlen wären.

Quietschenden Schrittes verlasse ich das Haus, ein Blick zurück und zum Abschied gegrüßt erklimme ich die Sitzbank der treu wartenden BMW.
Der Kaffee hat geholfen und ich mache mich nun auf den Weg, den letzten Streckenabschnitt meiner kleinen Rundreise zu befahren. Noch ist es ein paar Stunden hell, sodass ich die Sonne, die die noch voll in der Blüte stehenden Rapsfelder zum Leuchten bringt, in vollen Zügen genießen kann.

Auch wenn es nicht mittelbar mit der Jahreszeit in Verbindung steht hat dennoch die Verspargelung des Hunsrücks sichtlich zugenommen. Weite Felder und Höhenzüge wurden mit unzähligen Windrädern zur Stromgewinnung bestückt. Teilweise nehmen diese Räder enorme Maße an, die Technologie schreitet auch hier rasant vorwärts.
Auf der Fahrt über die B50 an Simmern vorbei fallen mir insbesondere die Windrad-Monstren auf, die auf den Kamm des Soonwaldes gepflanzt wurden.

Bei Argenthal biege ich auf die L242 ab die sich durch den Wald und über den Berg in Richtung Dörrebach zieht. Diese Straße ist wirklich die holprigste, ausgefranste und schlechteste, die ich bis jetzt in unserer perfekt geteerten Alt-Republik gesehen habe, aber man arbeitet dran. Rot-weiße Barken und gerodete Streifen zur Rechten verraten dass der Zustand kein Zustand bleiben kann.

Von Dörrebach geht es nach Stromberg. Hier kann ein gewisser Sternekoch, der sich nicht nur mit Gemüse auskennt, sondern dieses auch im Gesicht trägt, die schöne Stromburg als sein Eigen nennen. Im letzten Jahr war ich hier in Begleitung von Marathon Mann und Party Fee zu einem Sommer-Menü im Kräutergarten der Stromburg.
Das Weingut Dr. Gänz aus Guldental an der Nahe führte mit Lafers Speisen und eigenen hervorragenden Weinen durch den Abend. Das Ambiente der Burg und die witzige und freundliche Art des Winzerpaares machten den Abend zu einem Erlebnis.

Weiter auf der L214 an Waldalgesheim vorbei komme ich in den Ort Weiler und halte etwas weiter für ein paar Fotos an. Von hier oben hat man einen herrlichen Blick über Bingen und auf die rechtsrheinische Seite mit dem Denkmal der Germania, oberhalb von Rüdesheim. Von hier führt die Straße von der Höhenlage hinunter nach einer 180 Grad Kurve hinein nach Bingerbrück.


Die eigentliche Straßenführung durch den Ort scheint meinem Navi nicht zu gefallen und so lasse ich mich kreuz und quer durch 30er Zonen führen, so lernt man auch die Städte kennen. In dem Punkt habe ich einschlägige Erfahrungen von meiner Pforzheim Sightseeing Tour, und um nicht wieder mit den Vorschlägen des Navi in Konflikt zu kommen mache ich mal was ES will. So komme ich wieder auf die Bundestraße 9 die nach Bingerbrück hineinführt. Von hier aus kenne ich die Strecke, vorne kommt eine Ampel, da muss ich links ab. Das Navi stimmt mit mir überein.

Während ich in erster Reihe stehend an der roten Ampel warte, kommen mir Autos entgegen, andere fahren von links kommend weiter, dann wieder die von vorne und wieder die von Links. Das dauert aber lange denke ich, während sich hinter mir schon eine lange Schlange gebildet hat. Unter mir ruckelt der Motor und verströmt seine angestaute Hitze, es wird mir zu dumm.
Ich suche die Teerdecke ab ob hier eine Kontaktschleife eingearbeitet ist, kann aber keine entdecken. Um eine versteckte Schleife zu treffen, oder einer Infrarotkamera ins Bild zu kommen lasse ich mich etwas nach hinten rollen um dann wieder etwas weiter nach vorne zu ziehen, vielleicht werde ich ja von der Ampel bemerkt, aber nichts passiert.

Wieder eine Ampelphase vorbei, es nervt. Vielleicht hätte ich mir doch die „große“ BMW holen sollen? Gefangen in dieser ausweglosen Lage beschließe ich eine spontane aber temporäre Farbenblindheit zu bekommen und ziehe bei der nächsten Gelegenheit über die weiße Linie davon. Ich gehe davon aus, dass die Fahrzeuge hinter mir noch ein wenig gewartet haben.

Kurz darauf überquere ich die Nahe die hier zu meiner Linken in den Rhein mündet.
Rückwärtig, mitten im Rhein auf einer kleinen Insel steht der Binger Mäuseturm.
Der Sage nach soll vor gut 1000 Jahren ein Mainzer Bischof Namens Hatto in einer Hungersnot den Armen, trotz voller Kornkammern nicht geholfen haben und sie dann auch noch in einer Scheune eingesperrt und durch Brandlegung hat abmurksen lassen. Die Hilferufe der Sterbenden hat der Herr Bischof wohl mit dem Pfeifen von Kornmäuslein verspottet. Glaubt man der Geschichte machten sich daraufhin tausende Mäuse über den Bischoff Hatto her, welcher dann flussabwärts mit dem Schiff zum besagten Turm flüchtete um hier vor den Mäusen in Sicherheit zu kommen.
Die Rechnung ging nicht auf, die Mäuse hatten bereits den Freischwimmer und ließen vom Bischof außer Knochen nicht viel übrig. Da kann man nur sagen, Hatto Pech gehabt.

Den geschichtsträchtigen Ort lasse ich hinter mir, kurve weiter durch Bingen um am Ortsausgang dann nach links zum Fähranleger abzubiegen. Bingen – Rüdesheim ist eine stark befahrene Fährstrecke und so stauen sich bei gutem Wetter die Touri-Autos gerne mal in zwei Reihen um auf die „andere „Ebsch Seit“ zu kommen. Um der Nachfrage gerecht zu werden fahren hier sogar in der Regel zwei Fähren über Kreuz.
Heute hält sich der Verkehr jedoch in Grenzen, wobei es auch daran liegen kann dass es bereits 18:30 Uhr ist.

Die Fähre kommt und ich darf ganz nach vorne fahren, direkt an die Schranke, darf aber auch wieder 2,80 Euro für den Service bezahlen. Das ist es mir Wert, denn die Fahrt ist bei dem herrlichen Wetter eine Freude. Ca. 5 Minuten dauert die Querung auf die andere Seite und belohnt mit tollem Blick in alle Richtungen. Voraus liegen die Rüdesheimer Weinlagen, oben auf dem Bergrücken das Niederwald Denkmal mit der Statue der Germania.


Zum Anlass der Deutschen Reichsgründung von 1871 gebaut, wurde die Statue im Jahr 1883 eingeweiht. Ich erspare mir die Erklärung was es sich genau mit ihr auf sich hat und auch, dass sie den Stolz und die Kampfbereitschaft der Deutschen symbolisiert, dass sie in der rechten Hand die Kaiserkrone trägt und in der Linken das Reichsschwert hält, und dass sie als Mahnwache zum Schutz der Rheingrenze bzw. vor dem damaligen Erzfeind Frankreich steht, ja das erspare ich mir.

Aus dem damaligen geschichtlichen Kontext heraus eine verständliche Bauweise, heute würde sich zum Glück niemand mehr trauen solche Bilder zu vermitteln, zumindest nicht in diesem Land. Erstaunlich ist allerdings welch eine Faszination die Statue vor allem auf die ausländischen Touristen ausübt, sie ist halt typisch Deutsch. Es fehlt nur noch ein Oktoberfestbierzelt und eine Wurstbude, dann wäre das Klischee komplett.

Als Karikatur habe ich die Germania aber auch schon mit einem Pergel Trauben und einer Flasche Wein in den Händen haltend gesehen. Diese Variante wäre heute sicher auch ein Renner, gerade zur jetzigen Zeit, denn es ist Schlemmerwoche im Rheingau.
Eine Woche lang öffnen die Winzer ihre Keller und Hofgüter zur kostenlosen Probe der neuen Weine, zum Verweilen und Schlemmen kleiner Speisen, oftmals alles in Eigenregie der Winzerfamilien. Eine schöne Tradition.

Mit einem Rumpeln und kratzen legt die Fähre in Bingen an. Der freundliche Herr mit dem trendigen Range Rover einigt sich per Fingerzeichen darauf mich vorzulassen und so geht es die Rampe hinauf auf die B42.
Hier vor Rüdesheim kreuzt die „B“ die stark befahrene Eisenbahnlinie, sodass der Autoverkehr durch die Bahnschranke des Öfteren einen unfreiwilligen Stopp einlegen muss. Für Touris egal, sie dürfen sich an der schönen Umgebung erfreuen und sind auch bald wieder weg, für die einheimischen Pendler allerdings ein Graus.

Das Glück ist mir hold, die Schranke ist offen und es geht vorwärts durch Rüdesheim, entlang der Flaniermeile mit seinen Cafés, Bars und Souvenirläden, dann weiter auf der B42 aus dem Ort hinaus, am Yachthafen vorbei und entlang des Rheins in Richtung Wiesbaden.
Obwohl Geschwindigkeitsbegrenzt auf 80- bzw. 60 km/h packt es gelegentlich den ein- oder anderen 2-Rad und auch 4-Rad Fahrer hier etwas mehr den Hahn zu öffnen, leider oft genug mit ernsten Folgen.

An neuralgischen Stellen reagieren die Behörden mit dem Aufbau von Kameras.
Die Bilder die dabei gemacht werden sind im Verhältnis zur gelieferten Bildqualität recht teuer, der Lieferservice ist aber hervorragend, die Bilder werden in der Regel ohne vorherige Nachfrage versandt.

Vor mir packt es einen, der seinem Kennzeichen nach zu urteilen, den Foto Shop in Oestrich-Winkel nicht kennen wird. Ich entschließe mich ihm hinterher zu fahren und mittels Lichtorgel auf die nahende Säule aufmerksam zu machen. Irgendwann hat er es gemerkt und geht vor besagter Kamera dann doch auf die Geschwindigkeit herunter die in dem runden Schild mit rotem Rand als mögliche Option angegeben war.
Die Brownie Points gehen an mich, auch wenn ich kein Pfadfinder bin.
Der Gewarnte scheint dann aber doch etwas verunsichert und trödelt nun sogar um einiges langsamer als erlaubt vor mir her. Das bleibt nicht lange so, dann trödelt er hinter mir her.

Ich komme meinem Ziel näher. Vorbei am Oestricher Verladekran aus dem Jahre 1744, vorbei an der European Business School, dem herrlichen Weinstand in Hattenheim und der Tanke an der ich noch ein paar Tage zuvor mir den nötigen Sprit für den Start zu meiner Reise geholt habe.

Noch ein paar Meter weiter und ich verlasse die B42 um nach rechts in meinen Heimatort abzubiegen. Ich überlege kurz, ob ich noch eine Extra-Runde drehen soll, denn bei dem Wetter macht das Fahren auch nach mehr als 1300 Kilometern und ca. 31 Stunden im Sattel richtig Spaß, doch der Blick auf die Uhr rät mir die Reise an dieser Stelle zu beenden.
Diesen Abend der Schlemmerwoche möchte ich gerne noch in netter Begleitung beenden, so ist es an der Zeit diesen Abend einzuläuten.

Es ist Samstag der 3. Mai, 18:52 Uhr als ich zufrieden und berauscht von meiner Tour zu Hause ankomme. Ich habe viel gesehen, viel an mir vorbeiziehen lassen, Menschen getroffen, geredet, mich wieder verabredet, viele neue Eindrücke gewonnen, im wahrsten Sinne des Wortes den Umgang mit meiner treuen BMW erfahren, eindrucksvolle Landschaften erkundet, länder- und menschenverbindende Straßen befahren, mich mit Gedanken konfrontiert und diese verarbeitet, meinen eigenen Dialog mit mir geführt, Regen und Kälte gespürt, aber die Sonne im Herzen behalten.

So bestätigen sich für mich die Worte von Hermann Löns (1866 - 1914)
„Das wichtigste Stück des Reisegepäcks ist und bleibt ein fröhliches Herz.“

Die nun beendete Reise stand im Fokus des Erfahrens, des Befahrens und Sammelns von Erfahrungen und es war gut und richtig diese Tour alleine zu tun.
Sollte mich mein Lieferant aber doch eines Tages anrufen und mir die frohe Botschaft der Ankunft meiner Alu-Koffer verkünden, so werde ich Stauraum für zwei fröhliche Herzen haben.

Denn, wie ein Afrikanisches Sprichwort besagt:
“If you want to go fast, go alone, if you want to go far, go together.”

In freudiger Erwartung auf das was kommen mag – ich habe die Ehre!

 
Tour 5 - der Kreis schließt sich.